Schweinegrippe-Impfung im Kreuzfeuer

„Die Impfaktion wird kein Renner“

Berlin - 31.08.2009, 11:52 Uhr


Die Mehrheit der Deutschen will sich nicht immunisieren lassen. BMG und PEI wiesen derweil Zweifel an der Impfstoff-Sicherheit zurück. WHO: Rasante Ausbreitung und hohe Anzahl gesunder junger Menschen unter den Todesopfern besorgniserregend.

Einer Spiegel-Umfrage zufolge wollen sich nur 38 Prozent der Deutschen wahrscheinlich oder sicher gegen die Schweinegrippe impfen lassen. Ganz sicher ist sich dabei mit nur 13 Prozent der deutlich kleinere Teil. In der nach bisherigen Erfahrungen besonders betroffenen Gruppe der 18- bis 29-Jährigen ist das Interesse besonders gering - hier sind nur noch 28 Prozent überhaupt an der Impfung interessiert.

Die Ergebnisse der Spiegel-Umfrage decken sich mit der Einschätzung der Bundesärztekammer (BÄK). "Die Impfung wird kein Renner", sagte BÄK-Vizepräsident Frank Ulrich Montgomery dem Magazin "Focus". Er gehe davon aus, dass sich von jenen Risikopersonen, denen die Impfung ausdrücklich empfohlen wurde, gerade einmal die Hälfte impfen lassen werde. In der Gesamtbevölkerung rechne er mit einem Anteil von nur 15 bis 20 Prozent. Zudem würden die Kapazitäten für mehr auch gar nicht ausreichen. Die Vorbereitungen und Warnungen der letzten Wochen seien reine "Hysterie", mahnte der Klinikarzt angesichts seiner Erfahrungen mit der zumeist milde verlaufenden Erkrankung. Allerdings könne Deutschland Lehren aus der Pandemie ziehen, sollte die deutliche gefährlichere Vogelgrippe H5N1 irgendwann zuschlagen: "Dann dürfen wir nicht so lange rumdiskutieren".

Gefragt nach der Sicherheit des Impfstoffs meldete der Mediziner Zweifel an: Er wolle niemandem Angst machen, "aber es beunruhigt, dass die verwendete Kombination von Verstärkersubstanz und Impfstoff nicht nach den normalen Standards getestet ist". Paul Löwer, der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, wies diese Aussage als falsch zurück. Die in Deutschland verwendeten Impfstoffe hätten Zulassungsverfahren durchlaufen und seien daher nach üblichen Standards auf Wirksamkeit und Verträglichkeit getestet worden.

Auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) wies die Vorwürfe zurück und erklärte, dass Bund und Länder die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung getroffen hätten. Angesichts der Umfrage-Ergebnisse erklärte ein Sprecher des Ministeriums: "Verantwortliche Politik kann sich in dieser Frage nicht von augenblicklichen Stimmungen und Umfragen leiten lassen." Die Impfung sei freiwillig und jeder, der sich impfen lassen wolle, könne auch geimpft werden.

Neue Warnungen kamen derweil vonseiten der Weltgesundheitsorganisation. Das Schweinegrippe-Virus breite sich "unglaublich schnell" aus, erklärte WHO-Chefin Margaret Chan der französischen Tageszeitung "Le Monde". Es lege in sechs Wochen eine Strecke zurück, für die andere Viren sechs Monate benötigten. Auch sei die Tatsache, dass 40 Prozent der mittlerweile rund 2200 Todesopfer junge und gesunde Erwachsene seien, besorgniserregend. Die Opfer würden innerhalb von fünf bis sieben Tagen an den Folgen des Virus-bedingten Fiebers sterben. Trotzdem der Impfstoff in den nächsten Monaten weltweit nicht ausreiche, schloss auch Chan Kompromisse bei der Qualität in aller Deutlichkeit aus. Bei den Schnellverfahren zur Zulassung dürften lediglich "Verwaltungsvorgänge" beschleunigt werden.


Tarja Wündrich