Kommentar

Sonderweg Bundesregierung: Verspieltes Vertrauen

Stuttgart - 19.10.2009, 08:50 Uhr


Nicht nur die Bundeswehr hat den Adjuvanzien- und Konservierungsmittel-freien Impfstoff Celvapan® bestellt, auch die Bundesregierung hat für sich, die Ministerien und Oberbehörden wie das Paul Ehrlich Institut 200 000 Dosen von Celvapan® geordert. Das erzeugt Misstrauen

Der Impfstoff Pandemrix® steht nicht nur wegen seines noch bislang in keinem handelsüblichen Impfstoff enthaltenen Adjuvans AS03 (Squalen, Tocopherol; Polysorbat) in der Kritik. Er enthält auch den Konservierungsstoff Thiomersal, auf den in Impfstoffen für Kleinkinder nach Aussagen von Prof. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes für Kinder und Jugendliche, bewusst verzichtet wird. Während Professor Dr. Ulrich Heininger, Mitglied der STIKO und Vorsitzender der Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin, eine Impfung mit Pandemrix® von  Kindern mit Grunderkrankungen ab dem 6. Lebensmonat für vertretbar hält, soll Hartmann laut Arzneitelegramm eine Adjuvanzien- und Konservierungsmittel-freie Spaltvakzine für Kinder von 6 Monaten bis sechs Jahren fordern  Einig sind sich dagegen beide Verbände, dass der Ganzvirusimpfstoff Celvapan® keine gute Alternative für Kinder darstellt. Denn Ganzvirusimpfstoffe sind deutlich schlechter verträglich als Spaltimpfstoffe, weshalb in der Vergangenheit auf solche Impfstoffe nach Möglichkeit verzichtet worden ist.

Komplette Verwirrung herrscht bei der Empfehlung für Schwangere. Die STIKO empfiehlt, bis zum Vorliegen weiterer Daten nicht-adjuvantierte Spaltvakzine zu verwenden. Die gibt es zwar in den USA. In der EU hat aber bislang nur das französische Unternehmen Sanofi Pasteur einen solchen Impfstoff (Panenza®) beantragt. In Deutschland ist damit keine Adjuvanzien-freie Spaltvakzine verfügbar. Vor diesem Hintergrund empfehlen das Robert Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut, nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung mit Pandemrix® zu impfen und betonen, dies sei durch die Zulassung gedeckt. Währenddessen verlautet aus dem Bundesgesundheitsministerium, dass man mit den Regierungen in Frankreich und den USA im Gespräch sei, um von dort adjuvanzienfreie Spaltvakzine für Schwangere zu beziehen.

Widersprüchliche Empfehlungen, die Sonderwege von Bundeswehr und Bundesregierung und die  anhaltende Kritik von Ärzten und Virologen lassen kein Vertrauen in den für Deutschland vorgesehenen Impfstoff Pandemrix® aufkommen. Wenn jetzt Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig in Spiegel online mit den Worten zitiert wird: "Wir sind unglücklich über diese Impfkampagne, die Gesundheitsbehörden sind auf eine Kampagne der Pharmakonzerne hereingefallen, die mit einer vermeintlichen Bedrohung schlicht Geld verdienen wollen“, dann könnte man geneigt sein, Mitleid mit den Behörden zu haben. Doch von den Behörden muss so viel Sachverstand und Unabhängigkeit erwartet werden, dass im Vorfeld die für die Bevölkerung sicherste Entscheidung getroffen wird. Es darf nicht sein, dass auch nur der Verdacht aufkommt, dass eine zum Schutz der Bevölkerung gedachte Massenimpfung zum großen Feldversuch mit ungewissem Ausgang für den Einzelnen werden könnte. In den USA war man vorsichtiger, dort wurden keine adjuvantierten Impfstoffe gegen die Neue Grippe geordert. Dafür hatte man sicher gute Gründe. Und sicher hatten auch die Bundeswehr und die Bundesregierung gute Gründe dafür, für sich einen Adjuvans- und Konservierungsmittel-freien Impfstoff zu ordern. Von Seiten der Bundeswehr wurde auf den für Soldaten notwendigen, umfassenden Impfschutz verwiesen, weshalb man auf eine gute Verträglichkeit mit anderen Impfstoffen achten musste. Da störten wohl Adjuvanzien und Konservierungsstoffe.

Ob Celvapan® jetzt tatsächlich die bessere Alternative zu Pandemrix® ist, sei einmal dahingestellt. Der Eindruck, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird und die Masse möglicherweise einen schlechteren Impfstoff bekommt, ist fatal. So wurde Vertrauen verspielt, nicht nur in die Impfung gegen die Neue Grippe, sondern in weitere, bewährte und notwendige Impfungen. Da hilft es wenig, wenn das Paul-Ehrlich-Institut jetzt verlauten lässt, dass auch Mitarbeiter seines Instituts mit Pandemrix® geimpft werden sollen. Hätte man von vorneherein mit offenen Karten gespielt, hätte man die Überlegungen für die unterschiedlichen Entscheidungen offen gelegt, wären uns diese Diskussionen und der Vertrauensverlust möglicherweise erspart geblieben.


Dr. Doris Uhl