Regenerationsprozesse

Neue Quelle für Nervenzellen im Gehirn

München - 07.12.2009, 07:01 Uhr


Münchner Forscher haben Vorläuferzellen entdeckt, die nach Verletzungen der Großhirnrinde neue glutamaterge Nervenzellen bilden können. Damit ist ein weiterer Schritt zum Verständnis von Regenerationsprozessen im Gehirn gelungen.

Noch bis vor wenigen Jahren galt die Neurogenese, der Prozess der Entstehung von Nervenzellen, im Gehirn von Erwachsenen als unmöglich. Abgestorbene Nervenzellen können nicht ersetzt werden, so lautete die Lehrbuchmeinung. Dann entdeckten Forscher Regionen im Vorderhirn, in denen auch beim Menschen zeitlebens neue Nervenzellen gebildet werden. Diese so genannten GABAergen Zellen benutzen Gamma-Aminobuttersäure (GABA), einen Botenstoff des Zentralnervensystems.

Jetzt haben Wissenschaftler der Universität München diese Gehirnregion im Mausmodell genauer unter die Lupe genommen. Sie fanden heraus, dass im Vorderhirn noch andere Nervenzellen regelmäßig gebildet werden: die so genannten glutamatergen Nervenzellen, die als Überträgerstoff Glutamat benutzen. Den Nachweis konnten die Stammzellforscher mit Hilfe eines speziellen Transkriptionsfaktors erbringen: Tbr2 kommt ausschließlich in Vorläuferzellen der glutamatergen Nervenzellen vor.

Die im erwachsenen Organismus neu gebildeten Nervenzellen liegen im Riechkolben, dem Bereich des Gehirns, der die Geruchswahrnehmung vermittelt. Nervenzellen, die Glutamat als Überträgerstoff vermitteln, sind auch für die Speicherung bzw. den Abruf von Gedächtnisinhalten zuständig. Bei der Alzheimer-Demenz spielen Veränderungen bei der Signalübertragung dieser speziellen Zellen eine entscheidende Rolle. Die Entdeckung ist deshalb so wichtig, weil die Vorläuferzellen die neu gefundenen glutamatergen Nervenzellen zum Beispiel auch nach Gehirnverletzungen für die benachbarte Großhirnrinde bilden können. Die Forschergruppe konnte dies am Mausmodell zeigen. Dort wanderten die Zellen in das geschädigte angrenzende Großhirngewebe ein und bildeten dort reife Nervenzellen. Vorläuferzellen könnten demnach degenerierte Nervenzellen ersetzen.

Spannend ist nun die Frage ob dieser Vorgang auch im Menschen, speziell bei Alzheimer-Patienten, abläuft - möglicherweise aber den massiven neuronalen Zelltod nicht mehr unter Kontrolle bekommt. Ein therapeutischer Ansatz bestünde dann darin, diesen körpereigenen Ersatzmechanismus versuchsweise zu stimulieren.

Quelle: Brill MS, Ninkovic J, Winpenny E: Nature Neuroscie. 2009;12 (11):1351-474


Dr. Bettina Hellwig