Auslegung der Aut-idem-Regel

LG Hamburg: Die Normgröße ist entscheidend

Berlin - 13.01.2010, 10:44 Uhr


Das Landgericht Hamburg bleibt dabei: Für die Abgabefähigkeit von Arzneimitteln im Rahmen der Aut-idem-Regelung – insbesondere im Zusammenhang mit Rabattverträgen – soll es ausreichen

Streitig war ein Schreiben eines Arzneimittelherstellers an Apotheken, in dem dieser erklärte, seine Omeprazol-Präparate in den Packungsgrößen 30/50/80/100 seien an AOK-Versicherte weiterhin abgabefähig, da der AOK-Rabattvertrag für die Packungsgrößen 15/28/56/98 Kapseln abgeschlossen wurde. In dem daraufhin von KSK eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren verbot das LG dem Hersteller am 1. Oktober, eine solche Behauptung im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs aufzustellen (siehe AZ 42, 2009, S. 8). Diesen Beschluss hat das LG nach Durchführung der mündlichen Verhandlung mit Urteil vom 18. Dezember nur zum Teil bestätigt: Das Verbot soll jedenfalls dann gelten, wenn der KSK-Konkurrent die Apotheker nicht auf das Retaxierungsrisiko hinweist.

An seiner Auslegung des Begriffs „identische Packungsgröße“ im Sinne der Aut-idem-Regelung nach § 129 Abs. 1 i.V.m. § 4 des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V hielt das LG jedoch fest. Das Gesetz lasse es ausdrücklich zu, dass sogar unterschiedliche Darreichungsformen unbeachtlich seien, sofern diese austauschbar sind. Diese weitgehende  Substitutionsmöglichkeit mache keinen Sinn, wenn „identische Packungsgröße“ im Sinne numerischer Identität verstanden werde. „Die Anwendung des § 129 SGB V würde leerlaufen, wenn die Arzneimittelhersteller durch Verwendung unterschiedlicher  Stückzahlen, also durch kreative Gestaltung, die Substitution umgehen könnten“, so das Gericht. Deshalb seien die Regelungen der Packungsgrößenverordnung zu berücksichtigen. Es widerspräche zudem der gesetzgeberischen Intention, dass bei striktem Wortlautverständnis das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelverordnung ausgehebelt werde. Somit sei der Begriff „identische Packungsgröße“ nicht so auszulegen, dass eine numerische Identität  im Sinne einer Identität der konkreten Stückzahl vorgegeben sein müsse. Allerdings macht das LG in seinem Urteil auch deutlich, dass eine größere gesetzgeberische Klarheit in § 129 SGB V wünschenswert sei. Genauer wäre es etwa, von „identischer Packungsgröße im Sinner PackungsgrößenVO“ zu sprechen, so das Gericht.

Einen Eingriff in die Therapiehoheit des Arztes sieht das LG nicht. Der Arzt sei über die vorhandenen Packungsgrößen häufig ohnehin nicht informiert. Komme es tatsächlich auf die numerische Menge an, könne er im Einzelfall mit dem Apotheker Kontakt aufnehmen – oder die Substitution ausdrücklich ausschließen.

Das Gericht gesteht zudem zu, dass es eine anderslautende landgerichtliche Entscheidung gibt und seine Rechtsauffassung noch nicht höchstrichterlich  bestätigt worden ist. Angesichts der komplexen Rechtslage sei es durchaus möglich, dass nach letztinstanzlicher höchstrichterlicher Klärung die Auffassung des nicht rabattbegünstigten Arzneimittelherstellers bestätigt werde. Daher könne der Antragsgegnerin nicht verwehrt werden, Apotheker zu informieren. Da für die Apotheken, die die Arzneimittel dieses nicht rabattbegünstigten Herstellers trotz des Rabattvertrages weiterhin abgäben, aber ein erhebliches  Retaxierungsrisiko bestehe, fordert das Gericht, dass dabei auf diesen Umstand hinweisen müsse. Ohne diesen Hinweis, der im beanstandeten Schreiben fehlte, sei eine Irreführung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb anzunehmen, da dem Apotheker verkehrswesentliche Informationen vorenthalten würden.


Kirsten Sucker-Sket