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Grippeviren
Neue Strategien gegen Influenza
Grippeviren sind extrem wandlungsfähig und dadurch schwer zu bekämpfen. Forschungsergebnisse von Berliner Wissenschaftlern zeigen jetzt neue Ansatzpunkte für die Grippetherapie auf
Infektionen mit Influenzaviren können lebensbedrohlich sein und führen alleine in Deutschland zu mehreren Tausend tödlichen Krankheitsverläufen pro Jahr. Davon sind vor allem Patienten mit geschwächtem Immunsystem betroffen. Neuartige Influenzaviren wie beispielsweise die der Neuen Grippe ("Schweinegrippe“), die sich 2009 innerhalb weniger Wochen weltweit ausbreitete, bergen zusätzliche Risiken. Bislang stehen zur Verhütung und Behandlung einer Grippeinfektion ausschließlich Impfstoffe und antivirale Medikamente zur Verfügung, die gegen das Virus selbst gerichtet sind. Aufgrund der hohen Wandlungsfähigkeit der Viren müssen Impfstoffe jedoch immer wieder an das aktuell zirkulierende Virus angepasst werden. Gängige Grippemedikamente versagen immer häufiger, weil Influenzaviren dagegen resistent geworden sind. Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin ist es nun gelungen, neue Angriffspunkte aufzuspüren, die weniger anfällig für Resistenzentwicklung sein könnten.
Grippeviren benötigen für ihre Vermehrung mehrere Hundert menschliche Proteine. Dabei hängen sie bei ihrer Vermehrung stark von den Proteinen der infizierten Zelle ab; die meisten davon waren allerdings bisher nicht im Zusammenhang mit Influenza bekannt. Die Wissenschaftler haben sich einer neuen Technologie, der RNA-Interferenz, bedient, um damit im automatisierten Verfahren jedes einzelne Gen des Menschen gezielt zu hemmen und die Bildung einzelner Proteine zu verhindern. Anschließend wurden die Zellen mit Influenzaviren infiziert und auf die verbliebene Vermehrungsfähigkeit der Viren getestet. Dieses systematische Vorgehen ermöglichte es den Max-Planck-Forschern, unter den zirka 24.000 Genen des Menschen insgesamt 287 Wirtszellfaktoren aufzuspüren, die bei der Virusvermehrung beteiligt sind. Viele der identifizierten Proteine sind für unterschiedliche Influenzaviren gleichermaßen bedeutsam, darunter auch das neue pandemische H1N1-Virus.
Die neu gefundenen Wirtszellfaktoren, die für das Zustandekommen und den Verlauf von Influenzainfektionen unerlässlich sind, werden nun am Max-Planck-Institut weiter untersucht. Langfristiges Ziel ist die Entwicklung von Medikamenten, die diese Wirtszellfaktoren blockieren, ohne nennenswerte Nebenwirkungen hervorzurufen. Die Forscher gehen davon aus, dass solche neuartigen Virustatika kaum zu einer Resistenzentwicklung der Viren führen und sich auch gegen bisher unbekannte Influenzasubtypen als wirksam erweisen.
Vorstellbar wäre auch, die identifizierten humanen Gene mittels der Methode der RNA-Interferenz selbst zu hemmen. Da für den Verlauf von Infektionen beide Seiten, nämlich die des Erregers und die seines Wirts, benötigt werden, eröffnen sich neue Chancen für die Behandlung akuter und chronischer Infektionen. In der Zukunft könnte die Strategie, menschliche Genfunktionen zu bestimmten Zeiten gezielt abzuschalten, eine wichtige Rolle auch bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten einnehmen - neben dem Einsatz von Antibiotika und Impfstoffen.
Quelle: Karlas, A, et al.: Nature, Online-Vorabublikation, 17. Januar 2010.
Berlin - 26.01.2010, 06:55 Uhr