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Signalmoleküle
CD95L-Blocker gegen Entzündungen und Krebs
Das als "Todesbote" bekannte Signalmolekül CD95L löst nach Rückenmarksverletzungen im verletzten Gewebe eine Entzündung aus und verhindert dadurch die Heilung
Bislang waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass CD95L an den Todesrezeptor CD95 auf der Oberfläche von Nervenzellen andockt, damit Apoptose auslöst und so das verletzte Nervengewebe weiter schädigt. Diese Sichtweise muss nun angesichts der aktuellen Ergebnisse revidiert werden. Nach einer Verletzung des Rückenmarks von Mäusen kommt es zu einer lang anhaltenden Entzündungsreaktion in der Umgebung. Innerhalb von 24 Stunden nach der Schädigung wandert eine große Anzahl von weißen Blutkörperchen in die betroffene Stelle im Rückenmark ein. Dabei handelt es sich in erster Linie um Zellen der angeborenen Immunabwehr, vor allem Makrophagen und Neutrophile. Im gleichen Zeitraum steigt auf der Zelloberfläche der weißen Blutkörperchen in den Blutbahnen die Menge an CD95L deutlich an - offenbar als Folge eines noch nicht identifizierten chemischen Signals, das das verletzte Gewebe aussendet.
Verantwortlich für die Wanderung der Immunzellen zum Ort der Verletzung ist das Signalmolekül CD95L. Blockierten die Forscher den Todesboten mit spezifischen Wirkstoffen, kam die Wanderung zum Erliegen. Die Forscher entschlüsselten einen bislang unbekannten Signalweg, über den CD95L die Immunzellen dazu aktiviert, mobil zu werden und aus der Blutbahn ins verletzte Rückenmark einzuwandern. Diese Mobilisierung ist nicht auf die Entzündungsreaktion im verletzten Rückenmark beschränkt - die Wissenschaftler entdeckten auch bei Mäusen, die an schwerer Bauchfellentzündung erkrankt waren, eine CD95L-bedingte Einwanderung von Immunzellen ins kranke Gewebe.
Was bewirkt CD95L im verletzten Rückenmark? Um dieser Frage nachzugehen, untersuchten die Forscher genetisch veränderte Mäuse, deren Immunzellen kein CD95L bilden können. Wird das Rückenmark dieser Tiere verletzt, sind ihre Nervenzellen vor dem Untergang geschützt, die Mäuse erholen sich und schneiden in späteren Bewegungstests besser ab als ihre normalen Artgenossen.
Offenbar steigern die eingewanderten Immunzellen die gewebeschädigenden Entzündungsreaktionen. Schalteten die Forscher das CD95L-Molekül auf Immunzellen aus und untersuchten anschließend die Genaktivität im verletzten Gewebe, so beobachteten sie, dass die Aktivität von zelltod- und entzündungsfördernden Genen zurückging. Dagegen wurden vermehrt solche Erbanlagen abgelesen, die das Nervenwachstum fördern.
Ob CD95L seine schädliche Wirkung im verletzten Rückenmark durch programmierten Zelltod ausübt, untersuchten die Forscher an Mäusen, deren Nervenzellen der Rezeptor CD95, die Andockstelle für den Todesboten CD95L, fehlt. An diesen Tieren zeigte sich, dass CD95L durch Rekrutierung von entzündungsfördernden Immunzellen in das verletzte Rückenmark und nicht durch programmierten Zelltod zum Untergang der Nervenzellen beiträgt. Nach diesen Beobachtungen gehen die Forscher davon aus, dass CD95L auch im menschlichen Organismus schädliche Entzündungsreaktionen fördert. So ergab die Analyse von Blutproben rückenmarksverletzter Patienten, dass auch hier die Menge von CD95L auf den Immunzellen innerhalb weniger Stunden nach dem Unfall ansteigt.
Eine Blockade von CD95L könnte ein erfolgversprechender Therapieansatz bei schweren entzündlichen Erkrankungen sein, etwa bei Autoimmunkrankheiten wie Rheumatoider Arthritis oder Multipler Sklerose. Ein Wirkstoff gegen den Todesboten würde verhindern, dass entzündungsfördernde Immunzellen in das erkrankte Gewebe einwandern und dort den Gewebeschaden intensivieren. Neueste Forschungsergebnisse weisen sogar darauf hin, dass Entzündungsreaktionen die Invasionsfähigkeit von Krebszellen fördern, so dass auch hier der Einsatz eines CD95L-Blockers hilfreich sein könnte. Ein solcher Wirkstoff könnte bald schon zur Verfügung stehen: Auf der Basis von Erfindungen aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum entwickelt ein Biotech-Unternehmen bereits einen Inhibitor, der spezifisch das CD95L-Molekül des Menschen ausschaltet.
Quelle: Letellier, E. et al.: Immunity 2010, Online-Vorabveröffentlichung: DOI 10.1016/j.immuni.2010.01.011
Heidelberg - 07.03.2010, 07:00 Uhr