Gesundheitsreform

Spahn: Finanznot der Kassen noch größer

Berlin - 18.03.2010, 12:33 Uhr


Die Finanznot der gesetzlichen Krankenversicherung ist weitaus dramatischer als bisher angenommen. Nach Angaben des CDU/CSU-Gesundheitspolitikers Jens Spahn fehlen dem Gesundheitsfonds im Jahr 2011 bis zu 15 Milliarden Euro.

Grundlage für die Defizitberechnung sind nach Spahns Angaben stagnierende Einnahmen des Gesundheitsfonds und um fünf Prozent steigende Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Dieses Szenario sei „relativ realistisch“, sagte Spahn in Berlin.

Angesichts dieser Finanzentwicklung gerieten einige Krankenkassen bereits 2011 an die Grenzen ihrer Finanzierbarkeit, begründete der CDU-Gesundheitspolitker die Notwendigkeit, der GKV neue Einnahmequellen zu erschließen. Der auf ein Prozent begrenzte Zusatzbeitrag reiche „bei besonders schlechter Entwicklung“ dann nicht mehr aus, die Finanzlücke zu schließen.

Zur Kostendämpfung im Arzneimittelbereich kündigte Spahn spätestens zum 1. Januar 2011 ein Preismoratorium für neue Arzneimittel und einen „Pharma-Soli“ an. Nach Informationen aus Koalitionskreisen gab es im zweiten Jahr 2009 insbesondere bei Zytostatika einen überdurchschnittlich kräftigen Anstieg der Ausgaben. Dort sei „richtig zugelangt“ worden, hieß es. Daher überlege man im Zusammenhang mit dem anstehenden Arzneimittel-Sparpaket, ob der Gesetzgeber rückwirkend Kosten dämpfend eingreifen könne. 

Infrage gestellt wird bei den Gesundheitspolitikern der Koalition inzwischen, ob die geplante schrittweise Einführung einer Kopfpauschale ausreicht, die Finanzprobleme der GKV zu beheben. Möglicherweise sei darüber hinaus sogar ein höherer Einheitsbeitrag zum Gesundheitsfonds erforderlich. Skeptisch eingeschätzt wird zudem, ob der Arbeitgeberbeitrag angesichts der GKV-Kostendynamik wie beabsichtigt eingefroren werden kann. Zumindest mittel- bis langfristig könne man die Arbeitgeber bei der Finanzierung der zusätzlichen Gesundheitskosten nicht gänzlich außen vor lassen.

Ungeachtet der streitigen öffentlichen Diskussion zeichnet sich in der Regierungskoalition jedoch eine Annäherung bei der Einführung einer Kopfprämie ab: Weitgehend Konsens herrscht darüber, aus dem derzeitigen Zusatzbeitrag eine Prämie in Höhe von 20 bis 40 Euro zu entwicklen. Die Höhe der Prämie hängt davon ab, ob der 0,9-prozentige Beitragsanteil, der derzeit von den Versicherten alleine bezahlt wird, in die Prämie integriert wird, oder bestehen bleibt.

Anderseits treten bei der praktischen Umsetzung des notwenigen Sozialausgleichs immer mehr Probleme auf: So liegen in Deutschland wegen der Trennung von Steuer- und Sozialsystemen keine verlässlichen Einkommensdaten vor. So verhindert die kürzlich eingeführte Abgeltungssteuer auf Zinseinkünfte beispielsweise die exakte Erfassung von Kapitaleinkünften. Einig ist man sich in der Koalition, das für den Sozialausgleich alle Einkünfte der Versicherten herangezogen werden sollen.

Über die mit dem Sozialausgleich anfallenden Bürokratiekosten liegen den Gesundheitspolitiker der Koalition noch keine belastbaren Zahlen vor. Kosten von über 5 Prozent der erwarteten Einnahmen aus der Prämie werden als problematisch eingestuft und könnten der Einführung einer Prämie den politischen Knock-out versetzen: „Wenn der Aufwand zu hoch ist, muss man die Kraft haben, es zu lassen.“

Angesicht der Fülle der Probleme und der damit verbundenen Schwierigkeiten in der Gesetzgebung überwiegt inzwischen die Skepsis, dass die Kopfprämie wie geplant zum 1. Januar 2011 eingeführt werden kann.


Lothar Klein