Arzneimittelentwicklung

Gerinnungshemmer aus Schlangengift

Frankfurt - 27.05.2010, 07:13 Uhr


Schlangengifte enthalten hochwirksame Stoffe, die binnen kurzer Zeit zu Schock, Lähmung oder unstillbaren Blutungen führen können. Hier finden sich aber auch pharmakologisch interessante Leitstrukturen

Professor Johannes Eble von der Goethe-Universität beschäftigt sich zusammen mit Kooperationspartnern in Brasilien seit vielen Jahren damit, die blutgerinnungshemmenden Einzelkomponenten aus unterschiedlichen Giftschlangen-Arten zu isolieren. Danach wird die molekulare Struktur der Einzelkomponenten und der für ihre Wirkung verantwortliche Molekülteil bestimmt: „Diese Wirkstruktur versuchen wir dann durch chemisch oder biochemisch synthetisierte Verbindungen zu imitieren, wobei wir den Wirkstoff den pharmakologischen Bedürfnissen entsprechend designen“. Dazu gehört einerseits die Vermeidung unerwünschter Nebenwirkungen wie Abwehrreaktionen des Immunsystems. Andererseits gilt es auch, Pharmakokinetik und Pharmakodynamik gezielt zu beeinflussen.

Von großer medizinischer Bedeutung bei der Behandlung von Herzinfarkten oder Schlaganfällen sind Fibrinolytika. Fibrin bildet das Netzwerk, in dem sich die Thrombozyten verfangen und festhalten. Schlangengifte enthalten Enzyme, Fibrinogenasen, die Fibrin oder seine Vorstufe Fibrinogen zu Fragmenten abbauen, so dass sich kein Fibrinnetzwerk mehr bilden kann.

Das Enzym Fibrolase aus der Kupferkopf-Schlange (Agkistrodon contortrix contortrix) wird in einer leicht modifizierten Form gentechnologisch als Alfimeprase hergestellt. Die klinische Anwendung der Fibrolase wird derzeit erprobt. Ancrod aus dem Gift der Malaien-Mokassinotter (Calloselasma rhodostoma) ist ebenfalls in klinischer Prüfung. Eine weitere Kategorie von Schlangengiftkomponenten heften sich an die Oberflächenrezeptoren von Blutplättchen. Diese können dann nicht mehr durch biochemische Signale für eine Bindung an Fibrin aktiviert werden. Gut erforscht sind insbesondere die Disintegrine. Sie wurden zur Ausgangsverbindung bei der Entwicklung einer neuen Generation von Antithrombotika, zum Beispiel Aggrastat® (Tirofiban) und Integrilin® (Eptifibatid).

Quelle: Presseinformation der Goethe-Universität Frankfurt/M. vom 21. Mai 2010


Dr. Bettina Hellwig