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Gensonden
Individualisierte Therapie bei Leukämie
Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Diagnose Blutkrebs ein sicheres Todesurteil. Dass heute viele Leukämiekranke geheilt werden können, ist unter anderem der genauen Kenntnis der zugrunde liegenden Gendefekte zu verdanken, aus denen sich eine individualisierte Therapie ableiten lässt.
Am „Diagnostikzentrum für Akute Leukämie“ der Goethe-Universität sind in den vergangenen fünf Jahren 30 neue Krebsgene entdeckt worden. Seit Herbst 2009 müssen alle europäischen Studiengruppen die Behandlung ihrer Leukämiepatienten mit Hilfe der in Frankfurt entwickelten Gensonden engmaschig überwachen lassen.
Während man bei soliden Tumoren davon ausgeht, dass rund 20 Ereignisse notwendig sind, um aus einer normalen Zelle eine Tumorzelle zu machen, reichen bei Leukämien wenige Mutationen aus, um eine leukämische Zelle zu erhalten. Ein bevorzugter Mutationsmechanismus bei den Leukämien ist die „chromosomale Translokation“. Dabei brechen zwei Chromosomen auseinander und setzen ihre losen Enden überkreuz wieder zusammen, so dass jedes Chromosom ein Stück des anderen erhält. In den letzten 20 Jahren sind rund 400 verschiedene Translokationen analysiert worden. Eine dieser Translokation, bei der ein Stück zwischen Chromosom 4 und Chromosom 11 ausgetauscht wird, ist besonders aggressiv. Sie tritt bei 70 bis 80 Prozent aller Kleinkinder mit einer Akuten Lymphatischen Leukämie (ALL) auf.
Im Frankfurter „Diagnostikzentrum für Akute Leukämie“ werden bis zu 100 verschiedene solcher Translokationen, aber auch andere Genfusionen identifiziert und charakterisiert. Die hier etablierten Gensonden werden für die Verlaufskontrolle einer Leukämie-Therapie benutzt, und hier werden jedes Jahr rund 300 Leukämiefälle aus ganz Europa befundet. Der Blick auf den Anknüpfungspunkt der Fusionsgene liefert eine patientenspezifische DNA-Sequenz, einen molekularen Fingerabdruck. Über diesen Fingerabdruck lassen sich kleinste Mengen an Tumorzellen im Patienten nachweisen, selbst wenn auf 150000 normale Zellen nur eine einzige entartete Zelle kommt. Dadurch kann das unerwünschte Wiederauftreten des Tumors rechtzeitig erkannt und die Behandlung entsprechend angepasst oder optimiert werden.
Auch bei der Chronischen Myeloischen Leukämie (CML) ist ein pathologisches Fusionsgen die Ursache. Wird dieses abgelesen, wirkt die entstehende Kinase als unkontrollierter Teilungsstimulator der leukämischen Zellen. Das oral wirksame Imatinib hemmt die Aktivität des Gens und hilft heute über 95 Prozent der Patienten, mit CML über lange Jahre krankheits- und symptomfrei zu leben. Auch Patienten mit einem bestimmten Typ der Akuten Lymphatischen Leukämie können von Imatinib profitieren.
Quelle: Pressemitteilung der Goethe-Universität, Frankfurt/M., 20. Mai 2010.
Frankfurt - 29.05.2010, 07:54 Uhr