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Niederlassungsfreiheit
EuGH bestätigt spanische Apotheken-Regelungen
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind die demografischen und geografischen Begrenzungen, die in Asturien (Spanien) bei der Eröffnung neuer Apotheken zu beachten sind, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.
In Spanien ist die Errichtung einer neuen Apotheke von der Erteilung einer behördlichen Erlaubnis abhängig. Diese nationalen Rechtsvorschriften werden durch die Autonomen Gemeinschaften umgesetzt, die die genauen Kriterien für die Erteilung einer Erlaubnis zur Eröffnung von Apotheken festlegen. In der Autonomen Gemeinschaft Asturien müssen für die Erteilung von Apothekenzulassungen Bewerbungen eingereicht werden. Dem liegt das asturische Dekret zur Regelung des Apothekenwesens zugrunde. Danach kann grundsätzlich nur eine einzige Apotheke pro 2.800 Einwohnern errichtet werden. Erst wenn mindestens 2.000 Bewohner hinzu kommen, ist eine zusätzliche Apotheke erlaubt. Außerdem müssen nach der Regelung Apotheken mindestens 250 Metern voneinander entfernt liegen. Schließlich legt das Dekret auch die Kriterien fest, nach denen konkurrierende Apotheker ausgewählt werden. Dazu werden Punkte aufgrund der beruflichen und universitären Erfahrung der Bewerber vergeben.
Zwei spanische Apotheker wollten sich einer solchen Bewerbung nicht unterziehen und dennoch eine Apotheke in Asturien eröffnen. Sie erhoben Klage. Diese wurde dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt, da das mit den Rechtsstreitigkeiten befasste nationale Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit des asturischen Dekrets mit dem im Vertrag verankerten Grundsatz der Niederlassungsfreiheit hegte.
Nach dem Urteil des EuGH sind die im asturischen Dekret festgelegten Voraussetzungen, die mit der Bevölkerungsdichte und der Mindestentfernung zwischen Apotheken in Zusammenhang stehen, durchaus eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Jedoch können solche Maßnahmen gerechtfertigt sein, wenn sie vier Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen diskriminierungsfrei angewandt werden, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, geeignet sein, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
Die ersten Voraussetzugen hält der Gerichtshof für unproblematisch. Eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sei nicht gegeben. Zudem liege im Ziel der Beschränkungen – der Sicherstellung einer sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung – ein zwingender Grund des Allgemeininteresses. Die asturischen Regelungen sind aus Sicht des Gerichtshofes geeignet, die Erreichung dieses Ziels zu gewährleisten. Es lasse sich nämlich nicht ausschließen, dass sich ohne jede Regulierung Apotheker in als attraktiv beurteilten Ortschaften konzentrieren, sodass bestimmte andere, weniger attraktive Ortschaften unter einer unzureichenden Zahl von Apothekern, die einen sicheren und qualitativ hochwertigen pharmazeutischen Dienst gewährleisten könnten, leiden würden.
Der Gerichtshof prüft jedoch die Kohärenz der asturischen Regelung im Hinblick auf das Ziel, eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten. Dazu weist er darauf hin, dass bei einheitlicher Anwendung der im Dekret festgelegten Grundregeln von 2.800 Einwohnern und 250 Metern Entfernung zwischen Apotheken die Gefahr bestehe, dass in Bezirken, die bestimmte demografische Besonderheiten aufweisen, ein angemessener Zugang Apotheken nicht gewährleistet sei. Würde die Voraussetzung der Mindestanzahl von 2 800 Einwohnern unverändert in dünn besiedelten ländlichen Gebieten angewandt, fänden nämlich bestimmte Einwohner keine Apotheke in vernünftiger Entfernung vor, sodass ihnen ein angemessener Zugang genommen würde. Zudem bestünde in Ballungsgebieten bei einer strikten Anwendung der Voraussetzung der Mindestentfernung von 250 Metern zwischen den Apotheken die Gefahr, dass eine einzige Apotheke weit mehr als 2.800 Einwohner versorgen müsste.
Doch auch diese Bedenken lassen sich ausräumen, wenn sichergestellt ist, dass die zuständigen Behörden von ihrer Befugnis Gebrauch machen, die ihnen durch nationale Rechtsvorschriften eingeräumt wird. Diese nationalen Rechtsvorschriften sehen Anpassungsmaßnahmen vor, die es ermöglichen in Bezirken mit besonderen demografischen Merkmalen die Auswirkungen der Anwendung der 2.800-Einwohner-Regel abzumildern: Autonome Gemeinschaften können für bestimmte Bezirke auch unter 2.800 Einwohnern pro Apotheke liegende Bevölkerungseinheiten festlegen. Außerdem können sie in Abhängigkeit von der Bevölkerungsdichte geringere Entfernungen als 250 Meter gestatten und auf diese Weise die Zahl der Apotheken in Gebieten mit sehr starker Bevölkerungskonzentration erhöhen. Ob dies gewährleistet ist, sei vom nationalen Gericht zu prüfen.
Die im asturischen Dekret aufgestellten Kriterien für die Auswahl der Inhaber von neuen Apotheken hält der EuGH dagegen für einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, da sie diskriminierenden Charaketer haben. So werden nach dem Dekret Bewerber bevorzugt, die Berufserfahrung in Asturien gesammelt haben. Damit seien Apotheker mit der Staatsangehörigkeit anderer Mitgliedstaaten benachteiligt.
Urteil des EuGH vom 1. Juni 2010, Rechtssachen C‑570/07 und C‑571/07
Berlin - 01.06.2010, 14:14 Uhr