Gesundheitsprämie

Ringen um Kompromiss geht in die Verlängerung

Berlin - 03.06.2010, 12:47 Uhr


Die Regierungskoalition sucht nach einem Ausweg aus dem Dilemma um die Gesundheitsprämie: Bei einem neuen Treffen der Gesundheitsexperten von Union und FDP soll heute

Am heutigen Krisentreffen der Gesundheitsexperten nimmt dem Vernehmen nach auch der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) teil. Die CSU will das Konzept bisher nicht mittragen. Rösler sagte wegen des kurzfristig einberufenen Treffens seine Teilnahme an einer Branchenkonferenz in Rostock ab, hieß es aus Regierungskreisen.

Zuvor hatte es massive Kritik an seinen Plänen gegeben. Rösler war am Mittwoch bereits bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Ergebnisse der Unterredung waren zunächst nicht bekannt. Ob es noch vor der Sparklausur des Bundeskabinetts am Sonntag im Kanzleramt zu einer Einigung kommt, ist völlig offen.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, forderte die CSU zu Gegenvorschlägen auf. „Wir können nicht nichts tun», sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Nach seiner Einschätzung will die CSU verhindern, dass die Arbeitgeber stärker belastet werden. Dann aber wären allgemeine Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen die Folge.

Unterdessen verschäfte die CSU nochmals den Ton: Der bayerische Gesundheitsminister Söder sagte, es gebe dazu „keinerlei Gesprächsbereitschaft“ seiner Partei mit Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler. Söder bekräftigte, dass die CSU die Zusatzprämie einhellig ablehnt. „Selbst die Kernkraft hat in Deutschland eine höhere Akzeptanz als die Kopfpauschale“, sagte er. „Dieses Modell ist absolut nicht zukunftsfähig“, erklärte der bayerische Gesundheitsminister. „Pfusch“ dürfe nicht das Leitprinzip der Koalition in den nächsten Wochen und Monaten werden.

Kritik kommt weiterhin auch aus der Wirtschaft: Höhere Lohnzusatzkosten könnten die Betriebe nicht gebrauchen in einer Phase, in der nach der Krise die Rahmenbedingungen für den Aufschwung richtig gestellt werden müssten, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Achim Dercks, der „Berliner Zeitung“. Der Solidarausgleich für Menschen, die sich die Prämie nicht leisten könnten, müsse über Steuergelder finanziert werden. Röslers Konzept sieht unter anderem vor, dass der Arbeitgeberanteil des Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung um drei Milliarden Euro pro Jahr steigen soll.

Das Bundesgesundheitsministerium wies alle Kritik zurück. „Wir sind von unserem Konzept überzeugt“, sagte Ministeriumssprecher Christian Lipicki. Angesichts eines Defizits in der gesetzlichen Krankenversicherung von bis zu elf Milliarden Euro im kommenden Jahr sei der Handlungsdruck groß. „Nichts zu tun geht also nicht.“

Licht und Schatten sieht der Thomas Ballast, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Ersatzkassen (vdek). Positiv sei, dass grundsätzlich an dem bewährten einkommensbezogenen System festgehalten werden solle. Auch an der bewährten Familienmitversicherung werde nicht gerüttelt. Auch Leistungskürzungen seien im Konzept nicht vorgesehen. Allerdings bleibe der Sozialausgleich in diesem neuen Modell kompliziert und aufwendig, wenn für Millionen von Versicherten Beitragsklassifizierungen durchgeführt und Einzelkonten gepflegt werden müssen.

Problematisch sei zudem, dass die Versicherten einseitig belastet würden. Daran ändere auch die scheinbare Herstellung der Parität zwischen Arbeitgebern und Versicherten innerhalb des beitragsfinanzierten Systems nichts.


Lothar Klein