Nervensystem

Wie Sinneseindrücke mit negativen Erfahrungen verknüpft werden

Martinsried - 24.07.2010, 07:00 Uhr


Fruchtfliegen können lernen, einen Duft und einen Stromimpuls in Verbindung zu bringen und die Duftquelle daraufhin in Zukunft zu meiden. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie konnten nun drei Nervenzellen identifizieren, die bei diesem komplexen Vorgang eine Rolle spielen.

Dabei gelang es ihnen, einzelne Zellen gezielt durch Veränderungen der Umgebungstemperatur an- oder abzuschalten - und das, während sich die Tiere frei bewegten und lernten.

Das Gehirn von Fruchtfliegen ist mit knapp hunderttausend Nervenzellen deutlich einfacher aufgebaut als zum Beispiel ein menschliches Gehirn mit rund hundert Milliarden Nervenzellen. In der Fruchtfliege ist es daher deutlich einfacher, die Zellen zu identifizieren, die für das Entstehen von Vermeidungsverhalten wichtig sind. Zum anderen gibt es für die Fruchtfliege eine große Bandbreite an genetischen Werkzeugen, mit denen zum Beispiel bestimmte Gehirnfunktionen gezielt aktiviert oder ausgeschaltet werden können.

Die Verknüpfung von Geruch und Stromimpuls geschieht innerhalb des Pilzkörpers - einer Struktur im Fliegenhirn mit rund 2.000 Nervenzellen. Dabei ist der Botenstoff Dopamin wichtig, damit die Fliegen lernen können, eine potenzielle Gefahr mit einem Geruch zu verknüpfen.

Die Neurobiologen bauten einen "Temperaturschalter" in die dopaminausschüttenden Nervenzellen ein, die mit den Zellen des Pilzkörpers in Kontakt stehen. In der einen Gruppe von Fliegen führte das eingeschleuste Gen dazu, dass eine leichte Erhöhung der Raumtemperatur die Nervenzellen aktivierte, so dass diese Dopamin freisetzten; in einer zweiten Fliegengruppe führte ein anderes Gen dazu, dass die Temperaturerhöhung die Nervenzellen inaktivierte, egal welche Reize den Tieren angeboten wurden. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler zeigen, dass drei dopaminausschüttende Zellen aktiv sein müssen, damit ein wahrgenommener Duft mit einem negativen Erlebnis verknüpft wird. Die entscheidende Rolle dieser Zellen war eindeutig: Wurden die drei Nervenzellen über eine Temperaturerhöhung aktiviert, während die Fliegen einen Duft wahrnahmen, so lernten die Tiere den Duft zu vermeiden - und das selbst dann, wenn der Stromimpuls als negative Beziehung zu dem Duft fehlte.

Die Forscher können jetzt die Funktion einzelner Nervenzellen in einem sich frei bewegenden Tier untersuchen. Nun wollen sie Schritt für Schritt entschlüsseln, wie Erlebnisse miteinander verknüpft werden und wie daraus eine Verhaltensänderung entsteht.

Literatur: Aso, Y., et al.: Current Biology, online Veröffentlichung vom 15. Juli 2010. doi: 10.1016/j.cub.2010.06.048.


Dr. Bettina Hellwig