Haushaltsdebatte im Bundestag

Streit um Lobby-Einfluss auf die Gesundheitsreform

Berlin - 15.09.2010, 09:21 Uhr


Koalition und Opposition haben sich am Dienstag im Bundestag einen heftigen Schlagabtausch über den Einfluss von Pharmalobby und Privatkassen auf die geplanten Gesundheitsreformen geliefert.

Hintergrund ist, dass künftig das Gesundheitsministerium die Kriterien für die Bewertung neuer Arzneimittel festlegen soll. Das hatte auch die Pharmabranche gewollt. Zunächst sollten die Vorgaben für die Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss gemacht werden.

Minister Philipp Rösler (FDP) verteidigte anlässlich der Haushaltsdebatte die Pläne. Die Arzneiausgaben würden dauerhaft angegangen. Insgesamt werde das Elf- Milliarden-Loch der Kassen 2011 völlig ausgeglichen. Insbesondere im Bereich der Arzneimittelpreise dürften SPD und Grüne keine Kritik üben, da sie es während ihrer Regierungszeit selbst nie geschafft hätten, die Pharmafirmen „in den Griff zu bekommen“. Dass die Privatversicherten auch von den neuen Arzneirabatten der gesetzlichen Kassen profitieren sollen, nannte er sinnvoll.

CSU-Experte Johannes Singhammer sagte: „Wir tun nicht der Pharmalobby einen Gefallen, sondern den Gefallen, den wir tun wollen, tun wir den Patientinnen und Patienten.“ Nutzenbewertung und die sich anschließende Aushandlung von Arzneirabatten seien ein völlig neuer Schritt gegen steigende Kosten. Dass das Ministerium hierfür Vorgaben mache, sei sachgerecht.

Lauterbach entgegnete, Ausnahmen durchlöcherten das gesamte Pharma-Sparpaket. Auch der geplante leichtere Wechsel zu Privatkassen gehe pur auf Vorschläge dieser Branche zurück, sagte er. Seine Kollegin von den Grünen, Biggi Bender, sagte, die Besserverdienenden bekämen einen Freifahrschein für die Flucht aus dem Solidarsystem. Mit einem staatlichen festgelegten Beitragssatz, staatlich festgelegten Zusatzbeiträgen und einer Kosten-Nutzen-Bewertung, die vom Ministerium gemacht werde, müsse Minister Rösler, der seiner Vorgängerin „Staatsfixierung“ vorgeworfen habe, eigentlich der „Ulla-Schmidt-Verdienstorden in Gold“ verliehen werden, so Bender. Die Linke-Politikerin Martina Bunge warnte vor den geplanten unbegrenzten Zusatzbeiträgen zulasten der gesetzlich Versicherten. Sie sprach von einer „unsozialen Zeitbombe“.

CDU-Experte Jens Spahn nannte die Vorwürfe durchsichtig. „Wir machen das härteste Sparpaket in der Geschichte der Bundesrepublik.“ Privat und gesetzlich Versicherte profitierten gleichermaßen von Schwarz-Gelb.

Der Etat des Gesundheitsministeriums soll 2011 um rund 341 Millionen Euro gekürzt werden und damit 15,97 Milliarden Euro betragen. Rösler betonte, den Löwenanteil des Haushalts machten der Zuschuss des Bundes in Höhe von 13,3 Milliarden Euro und ein zusätzlicher Bundeszuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von zwei Milliarden Euro aus.

Gelassen gab sich im Hinblick auf die angedachte Rechtsverordnung zur Nutzenbewertung indessen Leonhard Hansen, selbst Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses. Bei der Vorstellung des Arzneiverordnungsreportes 2010 zeigte er sich zuversichtlich, dass auch das Bundesgesundheitsministerium eine gute Verordnung hinbekommen werde. Der G-BA werde das Verfahren aber "mit Argusaugen" beobachten. 


dpa/Kirsten Sucker-Sket