Rabattverträge

Die AOK als Befreier der Unternehmen

23.09.2010, 15:10 Uhr


Die AOK sieht die Rabattverträge massiv bedroht. Christopher Hermann, Chefverhandler für die AOK-Rabattverträge, appellierte an den Gesetzgeber, „das einzige funktionierende marktwirtschaftliche Instrument“ im Arzneimittelbereich zu erhalten und einen „Rückfall in oligopolistische Strukturen“ zu verhindern.

Hermann kämpft seit 2007 für seine Rabattverträge – als Vorreiter der gesetzlichen Kassen hat er viele Rechtsstreite ausgefochten ist nunmehr stolz, dass die jüngste Ausschreibung der AOK-Gemeinschaft – es war bereits ihre fünfte – nur noch von einem Pharmaunternehmen juristisch angegriffen wurde. „Die Hersteller haben gemerkt, dass es keinen Sinn mehr macht“, so Hermann heute in Berlin. Das Instrument sei mittlerweile etabliert und akzeptiert. Seit Ende 2008 – mit Inkrafttreten des GKV-OrgWG – bestehe auch Rechtssicherheit für alle Beteiligten. „Wer an dieser sicheren Situation versucht zu schrauben, legt die Axt an die Rabattverträge“, erregt er sich nun. Hermann sieht sich dabei durchaus auch als Retter für den Pharmamittelstand, der lange unter den in Deutschland bestehenden Generika-Oligopolen gelitten hätte. Die Rabattverträge mit immer wieder wechselnden Anbietern hätten für eine stetige Umwälzung im Markt gesorgt. „Das wirkt befreiend auf die Unternehmen“, meint der AOK-Vize.

Noch nun wittert Hermann Gefahr – vor allem durch zwei Regelungen im Entwurf des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG): Die geplante Anwendbarkeit des Kartellrechts auf die gesetzlichen Kassen und die Mehrkostenregelung. Um die AOK-Position zu untermauern, hat die Kasse sich einmal wieder ein Gutachten von Prof. Dr. jur. Dr. med. Alexander Ehlers erstellen lassen. Sein Resümee: Die vorgesehene vollständige Anwendung des Kartellrechtes auf die gesetzlichen Krankenkassen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken – sowohl in gemeinschaftsrechtlicher wie auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht. Gegen die Mehrkostenreglung kann Ehlers zwar keine rechtlichen Argumente vorbringen, doch hier mangelt es ihm an Praktikabilität. Beide Regelungen konterkarierten darüber hinaus das gesetzgeberische Ziel, Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen.

Hermann sieht die Rabattverträge insbesondere durch den neuen kartellrechtlichen Aspekt bedroht. „Die Pharmaindustrie rüstet sich erneut auf, um die Rabattverträge zu Fall zu bringen“, ist er überzeugt. Kartellrechtliche Angriffe unterlägen aber – anders als die Nachprüfungsverfahren im Vergaberecht – nicht dem Beschleunigungsgebot. Es könne gut sein, dass es zwei bis drei Jahre dauern werde, bis Kartellgerichte eine endgültige Entscheidung treffen. Eine solche Verzögerung reiche der Industrie bereits, um Umsätze in zwei bis dreistelliger Millionenhöhe zu sichern, so Hermann.

Den Vorwurf, die AOK bewege sich wie eine Dampfwalze durch die Pharmalandschaft will Hermann nicht gelten lassen. Dies sei eine „Phantomsituation“. Die AOK habe vielmehr den „Schlafwagenwettbewerb“ des „Hochpreis-Gernerika-Oligopols“ auf Spur gebracht. „Die AOK sitzt im ICE-Lokführerhaus – alles andere ist Schmäh“, sagt Hermann.


Kirsten Sucker-Sket