Multiple Sklerose

Immunzellen greifen Nervenzellen an

Berlin/Mainz - 28.09.2010, 07:20 Uhr


Mit Hilfe bildgebender Verfahren, mit denen es möglich ist, Prozesse im lebenden Organismus zu untersuchen, konnten Forscher aus Berlin und Mainz jetzt zeigen, dass fehlgeleitete Zellen des Immunsystems Nervenzellen direkt angreifen und schädigen. Diese Schäden können möglicherweise verhindert werden.

Bei der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose greift das eigene Immunsystem das zentrale Nervensystem an. Die Folgen sind, je nachdem welche Bereiche des Nervensystems angegriffen werden, unter anderen Muskelschwäche, Gehbehinderungen, Taubheitsempfindungen oder Sehstörungen. Weshalb die Immunzellen aus dem Ruder laufen und körpereigene Strukturen als „fremd“ erachten und attackieren, ist unbekannt.

Bisher ging man davon aus, das lediglich die Isolierschicht um ihre Axone, die Myelinschicht, zerstört wird. Diese Myelinschicht stellt normalerweise sicher, dass Erregungssignale weitergeleitet werden. Die Nervenzellen, die Neuronen, werden aber ebenfalls schon im Frühstadium der Erkrankung erheblich geschädigt.

Um herauszufinden, wie Immunzellen bei der Schädigung von Nervenzellen eine Rolle spielen, untersuchten die Wissenschaftler Mäuse mit einer Erkrankung, die der menschlichen Multiplen Sklerose ähnelt, der experimentellen autoimmunen Enzephalomyelitis. Mit einem Zwei-Photonen-Mikroskop konnten sie beobachten, dass bestimmte Immunzellen, die Th17-Zellen, die Nervenzellen direkt kontaktieren, und ähnlich wie Nervenzellen über ihre Synapsen miteinander Verbindung aufnehmen. Die Interaktion von Th17-Immunzellen und Neuronen führte zu erhöhten Calciumspiegeln im Innern von Neuronen. Im Zellinnern ist Calcium an der Erregung von Nerven- und Muskelzellen beteiligt und führt bei lang anhaltender Erhöhung zum Zelltod.

Einen erhöhten Calciumspiegel in Nervenzellen konnten die Forscher in ihren Versuchen mit Mäusen zum Teil wieder normalisieren, wenn sie die Zellen mit Substanzen behandeln, die normalerweise zur Behandlung erhöhter Erregbarkeitszustände eingesetzt werden. Möglicherweise sind die durch das Immunsystem ausgelösten erhöhten Calciumspiegel im Zellinnern von Neuronen ein Angriffspunkt für künftige Therapien

Quelle: Siffrin, V. et al.: Immunity 2010, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1016/j.immuni.2010.08.018 


Dr. Bettina Hellwig


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