AMNOG-Anhörung

Heftiger Schlagabtausch im Ausschuss

Berlin - 30.09.2010, 11:45 Uhr


Fragen rund um die (frühe) Nutzenbewertung von Arzneimitteln standen am Mittwoch im Mittelpunkt der öffentlichen Anhörung zum Entwurf des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Doch auch die Packungsgrößenverordnung und die Mehrkostenregelung waren Thema im dreistündigen Hearing.

Die gesetzlichen Krankenkassen begrüßten den Gesetzentwurf in seiner Grundidee, übten aber auch Kritik. So bekräftigte der stellvertretende Vorstandschef des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, in der Anhörung die Forderung der Kassen, mit dem AMNOG auch den Apothekenabschlag auf 2,30 Euro festzuschreiben. Der derzeitige Abschlag von 1,75 Euro bedeute für die Kassen Mehrausgaben von 320 Mio. Euro, so Graalmann.

Auf Widerstand stößt bei den Kassen auch der Plan der Regierungsfraktionen, die Kriterien der Nutzenbewertung nicht dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu übertragen, sondern per Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums zu regeln. Grundsätzlich skeptisch äußerten sie sich Kassenvertreter zudem zum Vorhaben, das Kartellrecht auf die gesetzlichen Krankenkassen anzuwenden. Unterstützt wurden sie in dieser Haltung vom Regensburger Rechtsprofessor Thorsten Kingreen, der die Neuregelung für „unvereinbar“ mit EU-Recht einstufte. Dem widersprach der Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht, Professor Helge Sodan. Die Anwendung des Kartellrechts sei „unbedingt erforderlich“, betonte Sodan.

Breiten Raum in der Anhörung nahm der Änderungsantrag ein, wonach der G-BA die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels nicht mehr wegen eines fehlenden Nachweises der Zweckmäßigkeit ausschließen darf – er selbst soll vielmehr die Unzweckmäßigkeit beweisen. Der G-BA-Vorsitzende Rainer Hess lehnt eine solche Änderung in § 92 SGB V rundweg ab. Der G-BA müsse aber auch weiterhin „das Recht haben, Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse auszusprechen", forderte er. „Das dürfen Sie uns nicht aus der Hand schlagen“. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU) nahm Hess zu dieser Frage ins Kreuzverhör: Wie viele Kosten-Nutzenbewertungen und wieviele Ausschlüsse wegen Unzweckmäßigkeit habe der G-BA vorgenommen? Auch wenn Hess einräumte, dass es jeweils nur zwei waren, so bekräftigte er die Bedeutung der Verfahren. Er verwies darauf, dass der G-BA selbst keine Studien in Auftrag geben, sondern diese nur bewerten könne. Spahn fragte zudem, ob der G-BA nicht schon heute an Verwaltungsakten von Bundesoberbehörden gebunden sei – konkret Beschlüsse des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Hess bestätigte dies, betonte jedoch, dass diese Entscheidungen jedoch nicht die Prüfung des Nutzens im Sozialversicherungsrecht enthielten.

Die geplante Novellierung der Packungsgrößenverordnung wurde von den befragten Experten ebenfalls kritisch gesehen: Die Pharmaverbände hatten sich auf eine gemeinsame Position verständigt und forderten eine gesondere Diskussion in einem geordneten Verfahren – so wie es vergangene Woche auch der Bundesrat empfohlen hat. Grundsätzlich werde die vorgesehene Novelle nicht abgelehnt – wolle man sie aber auf den Bestandsmarkt anwenden, müssten 80.000 Packunggrößen geändert werden. Da helfe auch die nunmehr vorgesehene Übergangsfrist nicht. Einer Anwendung der neuen, an der Therapiedauer orientierten, Regelung auf neue Wirkstoffe verschließt sich die Industrie dagegen nicht. Eigentliches Ziel der Neuregelung sei es, die Wirkung der Rabattverträge zu verstärken, so die Verbände – dies geschehe aber auch schon durch die geplante Änderung der Aut-idem-Regelung.

Die SPD stellte schließlich noch Fragen zur Mehrkostenregelung – sie wollte wissen, wie Patientenverter sie einschätzen. Jens Kaffenberger vom Sozialverband vdk erklärte, die Regelung sei problematisch, weil sie im „Umfeld interessengebundener Beratung“ liege. Zudem müssten Patienten in Vorleistung gehen, ohne zu wissen, wieviel sie am Ende erstattet bekommen. Er beklagte zudem einen zu schwach ausgestalteten Patientenschutz. Die Beratung im Zusammenhang mit der Mehrkostenregelung müsse in der Apotheke dokumentiert werden. Die BAG Selbsthilfe sieht keinen wirklichen Grund, warum der Weg der Kostenerstattung eingeschlagen werden müsse. Besser wäre es, eine Aufzahlung zu ermöglichen – sofern dies mit einer unabhängigen Patienteninformation verbunden sei. Die AOK kritisierte die angedachte Regelung ebenfalls. Sie stelle die Rabattverträge in Frage, da den Vertragspartnern keine verlässliche Mengenzusage gegeben werden könne. Außerdem sei zu befürchten, dass die Pharmaunternehmen dann wieder verstärkt ins Apotheken-Marketing investieren. Für die Versicherten werde es somit nicht besser, sondern nur teuer.


Kirsten Sucker-Sket