Virusinfektionen

Interferon verstärkt Immunabwehr

Hannover - 03.10.2010, 07:57 Uhr


Ohne Interferon bildet das Immunsystem bei bestimmten Erregern kaum spezifische Abwehrzellen aus. Bei der Entwicklung von Impfstoffen spielte Interferon jedoch bislang kaum eine Rolle.

Greift ein Virus den Organismus an, reagiert das Immunsystem schnell und effizient. Es schüttet innerhalb von Stunden den Botenstoff Typ-I-Interferon aus, der über das Serum in den gesamten Körper gelangt, über Rezeptoren an die Oberfläche von Zellen andockt und so ein Anti-Viren-Notprogramm aktiviert. Erst Tage später – wenn schon gar kein Interferon mehr in der Blutbahn kursiert – übernehmen virusspezifische T- und B-Immunzellen die Abwehr.

Wissenschaftler aus Hannover haben im Tierversuch die Reaktion auf einen veränderten Pockenstamm untersucht, das so genannte „Modifizierte Vakziniavirus Ankara“ (MVA). Dieses Virus löst eine starke Interferon-Reaktion aus, hat im Vergleich zum klassischen Vakziniavirus-Impfstoff aber praktisch keine Nebenwirkungen und kann sich in Menschen und Mäusen nicht vermehren.

Gentechnisch veränderte Mäuse ohne Interferonrezeptoren reagierten kaum auf den MVA-Impfstoff. Interferon wirkt nach einer MVA-Impfung offenbar direkt auf T-Killerzellen und auch auf dendritische Zellen, die die T-Zellen aktivieren. Beides ist nötig, damit das Immunsystem erfolgreich gegen Viren sein kann – und vor allem, damit es sich an diese Viren erinnern kann, um den nächsten Angriff schnell und effektiv zu unterdrücken.

Die T-Zellen benötigen hingegen kein Interferon, um ihre Erstaktivierung auszulösen – diese Entscheidung übernehmen die dendritischen Zellen. Ohne Interferon sterben die T-Zellen jedoch deutlich schneller ab. Die Lebensdauer der T-Zellen kann entscheidend für das Erinnerungsvermögen des Immunsystems – und damit für die Wirkdauer einer Impfung sein.

Als Konsequenz dieser Erkenntnisse sollte die Entwicklung neuer Impfstoffe grundsätzlich überdacht werden, und Interferon muss in die Impfstoffforschung einbezogen werden, forderte Professor Dr. Ulrich Kalinke, Leiter des Instituts für Experimentelle Infektionsforschung an der Universität Hannover.

Quelle: Frenz, T. et al.: Eur. J. Immunol. 2010; 40 (10): 2769-2777


Dr. Bettina Hellwig