IQWiG-Leiter Jürgen Windeler

Das AMNOG war überfällig und absehbar

Berlin - 11.04.2011, 13:18 Uhr


Dem Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Jürgen Windeler, reicht es nicht, nur Arzneimittel ohne Zusatznutzen aufzuspüren. Damit Gesundheit bezahlbar bleiben kann, gehörten sämtliche Ausgaben auf den Prüfstand. „Es wird nicht gelingen, dass System zu verbessern, ohne den Beteiligten im Gesundheitswesen auf die Füße zu treten“, sagte Windeler gegenüber dem „Handelsblatt“.

So gebe es zum Beispiel „so viel teure Hochtechnologie im Land, dass diese sich ihre Nachfrage selbst schafft, um ausgelastet zu werden“, erklärte Windeler. Darüber hinaus gebe es „bemerkenswert viele Apotheken und vor allem in Großstädten eine erstaunliche Arztdichte“. Auf die Füße treten müsse man jedem, der in diesem System seine wirtschaftlichen Interessen verfolge ohne dies mit dem Wohl der Patienten zu binden, sich also nicht für das System verantwortlich zeige. Windeler: „Mir scheint, die zentrale Botschaft, nüchtern hinzugucken, was für Patient und System das Beste ist, ist noch nicht überall angekommen“.

Das AMNOG ist aus Sicht des IQWiG-Leiters überfällig und „seit 20 Jahren absehbar“ gewesen. Es sei Teil einer internationalen Entwicklung - die Pharmahersteller in Deutschland hätten sich hierauf schon lange einstellen können. In letzter Konsequenz sei das AMNOG auch eine Reaktion auf Fehlentwicklungen, die die Branche selbst zu verantworten habe: „Wenn sie weiterhin wenig überzeugende Medikamente in den Markt drückt, gefährdet sie sich selbst“. Windeler ist optimistisch, dass sich die Unternehmen durch das AMNOG stärker als bisher auf Krankheiten wie zum Beispiel Demenz konzentrieren werden, statt Geld in die Entwicklung vermeintlicher Blockbuster zu investieren. Was die Frage betrifft, woher die deutschen Pharmaunternehmen das Geld für diese Forschung nehmen sollen, hält er es für hilfreich, wenn die Firmen einen kritischen Blick auf ihre Marketingausgaben werfen – „denn die sind oft höher als ihre Investitionen in die Forschung“.

Rationierung ist dagegen aus Windelers Sicht in Deutschland nicht nötig. Er ist der Meinung, dass „gerade die lautesten Rufer nach Rationierung nur davon ablenken, dass in ihrem Bereich noch sehr viel Verbesserungs- und Einsparpotenzial liegt“. Diese „Scheindiskussion“ könne man sich sparen, wenn man sich auf die medizinischen Maßnahmen konzentriere, die den Menschen wirklich nutzen.


Kirsten Sucker-Sket