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Bestechungsvorwürfe gegen Sanofi-Aventis
Fast abgelaufene Arzneimittel in deutschen Apotheken?
Haben Mitarbeiter von Sanofi-Aventis gegen Bestechungsgelder Arzneimittel verschoben, die sich ihrem Verfallsdatum näherten? Nach einem "Spiegel"-Bericht landeten diese Medikamente nicht wie geplant als Hilfslieferung in Nordkorea, sondern in heimischen Apotheken. Letzte Woche gab es eine Razzia.
Die Staatsanwaltschaft im niedersächsischen Verden ist einem möglichen Schmiergeld-Skandal beim Pharma-Konzern Sanofi-Aventis auf der Spur. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ gehen die Ermittler dem Verdacht nach, dass Mitarbeiter von Sanofi-Aventis über Jahre hinweg Medikamente, deren Verfallsdatum nahte, mit Hilfe von Bestechungsgeldern abgegeben haben. Angeblich sollte die Ware über eine Hilfsorganisation nach Nordkorea geliefert werden, tatsächlich aber landete sie nach Informationen des „Spiegel“ bei deutschen Pharmagroßhändler wie etwa Gehe. Diese lieferten die Medikamente dann an Apotheken aus, wo sie zu regulären Preisen abgerechnet wurden.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden, Marcus Röske, sagte am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa, dass 750.000 Euro an einen früheren Pharma-Manager geflossen sein sollen, der im Auftrag einer Hilfsorganisation tätig war. „Wir prüfen den Verdacht, dass es sich bei diesen Provisionszahlungen um Bestechungsgelder handelte.“ Eigentlich für Nordkorea bestimmte Medikamente seien teilweise wieder auf dem deutschen Markt aufgetaucht. Ob dahinter System steckt, sei noch unklar: „Das ist Gegenstand der Ermittlungen.“
Nach „Spiegel“-Recherchen lieferte Sanofi-Aventis allein im Jahr 2010 Medikamente im Wert von 22 Millionen Euro an den Pharmagroßhändler Multi Trade International (MTI) aus Seevetal (Kreis Harburg). Dabei handelte es sich meist um Ware mit eingeschränkter Haltbarkeit, für die Sanofi-Aventis laut „Spiegel“ einen Rabatt von 20 bis 50 Prozent gewährte. Abgewickelt wurde das Geschäft über den Verein „Viva Westfalen hilft“ unter Führung des ehemaligen Pharma-Managers Wolfgang Tietze. Außer gegen Tietze werde gegen sieben weitere Beschuldigte ermittelt, zumeist Mitarbeiter von Sanofi-Aventis, sagte Röske der dpa. Es gehe dabei um den Vorwurf der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr.
Die Staatsanwaltschaft Verden hatte am Donnerstag vergangener Woche 17 Objekte in mehreren Bundesländern durchsucht, darunter die Deutschland-Zentrale des französischen Pharmakonzerns Sanofi-Aventis, aber auch Wohnungen von Pharma-Managern. Das sichergestellte Material sei noch nicht ausgewertet worden, die Beschuldigten hätten sich auch noch nicht zu den Vorwürfen geäußert, sagte Röske der dpa.
Hintergrund ist laut Sanofi-Aventis eine Strafanzeige, die das Unternehmen vor einem knappen Jahr selbst gestellt habe, „weil es einen begründeten Verdacht gab, dass Arzneimittel-Hilfslieferungen nicht vollständig in das Bestimmungsland Nordkorea geliefert wurden“. Eine Sprecherin von Sanofi-Aventis bestätigte zwar die Durchsuchungen in der Deutschland-Zentrale in Frankfurt sowie am Sitz des Vertriebs in Berlin. Die im „Spiegel“ erhobenen Vorwürfe wies sie am Sonntag jedoch als falsch zurück. Das Pharma-Unternehmen liefere grundsätzlich Ware, die über ein ausreichend langes Verfallsdatum verfügt, sagte sie der dpa. Die Ware, die mit 20 Prozent Rabatt zweckgebunden für Nordkorea an einen Pharmagroßhändler in Norddeutschland geliefert wurde, sei gleichzeitig zum Normalpreis an den deutschen Großhandel gegangen.
Berlin - 20.06.2011, 09:17 Uhr