Erbkrankheiten

Neuer Wirkstoff setzt Nonsense-Mutationen außer Kraft

Mainz - 30.06.2011, 10:40 Uhr


Mainzer Forscher haben jetzt eine neue Therapiemöglichkeit für das Usher-Syndrom, die häufigste Form angeborener Taub-Blindheit des Menschen, gefunden: Ein kleines Molekül namens PTC124 kann eine Genmutation außer Kraft setzen, die als Stopp-Signal für die Proteinsynthese wirkt.

Das Usher-Syndrom tritt mit einer Häufigkeit von 1:6000 auf. Es ist eine rezessiv vererbte Krankheit, die klinisch und genetisch sehr heterogen ist. Im dramatischsten Fall werden die Patienten taub geboren und leiden ab der Pubertät an einer Degeneration der Netzhaut, die zur völligen Erblindung führt. Während der Gehörverlust mit Hörgeräten und Cochlea-Implantaten ausgeglichen werden kann, gibt es bislang noch keine Therapiemöglichkeit für das Auge.

Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben nun einen neuen Therapieansatz für eine schwere Form der Krankheit entwickelt, bei der eine Nonsense-Mutation im USH1C-Gen vorliegt. Dadurch entsteht ein Stopp-Signal in der DNA, und die Proteinsynthese wird vorzeitig abgebrochen. Diese Mutation hat in einer deutschen Familie zu der schwerwiegendsten Form des Usher-Syndroms geführt.

Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass ein kleines Molekül namens PTC124 (Ataluren®) das Überlesen des Stopp-Signals im mutierten USH1C-Gen auslöst, also dieses Signal außer Kraft setzt. Dadurch läuft die Proteinsynthese weiter, und in Zell- und Organkulturen wird das funktionelle Genprodukt weiter hergestellt. Der Wirkstoff PTC124 war in Netzhautkulturen der Maus und des Menschen gut verträglich.

PTC124 wird bereits bei anderen durch Nonsense-Mutationen bedingten Krankheiten, wie der Zystischen Fibrose oder der Duchenne-Muskeldystrophie, in klinischen Studien getestet. Die Forscher hoffen, dass dieser Therapieansatz in naher Zukunft auch für Usher-Syndrom-Patienten eingesetzt werden kann.

Sie untersuchen auch weitere Moleküle, die das Überlesen von Nonsense-Mutationen induzieren. Dabei stehen vor allem modifizierte Aminoglykoside, Abkömmlinge von handelsüblichen und klinisch erprobten Antibiotika, im Vordergrund.

Literatur: Goldmann, T., et al.: Hum. Gene Ther. 2011;22:537-47. Online: DOI: 10.1089/hum.2010.067.


Dr. Bettina Hellwig