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Substitution
Importarzneimittel: Gehen Originale unter Rabatt immer vor?
Das Bundesgesundheitsministerium hat klargestellt, dass die Abgabe eines rabattbegünstigten Bezugsarzneimittels Vorrang vor der Abgabeverpflichtung für preisgünstige, importierte Arzneimittel hat. Ist ein Rabattarzneimittel allerdings tatsächlich teurer als ein Import, so sehe die Sache anders aus: Dann müssten die Kassen dafür sorgen, dass die Apotheken-Software keine Bevorzugung des Rabattarzneimittels signalisiert.
Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz wurde zum 1. Januar 2010 in § 129 Abs. 1 Satz 7 SGB V bestimmt, dass die Verpflichtung der Apotheken zur vorrangigen Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel auch für importierte Arzneimittel und ihre Bezugsarzneimittel gilt. Die Norm wirft nicht zuletzt deshalb Fragen auf, weil ein importiertes Arzneimittel unter Umständen tatsächlich wirtschaftlicher sein kann als das rabattierte Bezugsarzneimittel, also das Original.
Die Regelung führte nach Informationen des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) zu Streitigkeiten zwischen Arzneimittelimporteuren, Originalherstellern und Krankenkassen. Nun haben Arzneimittelimporteure juristische Schritte eingleitet. Sie fordern ebenso wie der Verband der Arzneimittelimporteure (VAD), dass bei der Ermittlung des preisgünstigsten Arzneimittels die Nettopreise verglichen, also die Einsparungen aus den Rabattverträgen offengelegt werden.
Offenbar vor diesem Hintergrund hat nun das BMG den DAV, den GKV-Spitzenverband, die Importeur-Verbänden BAI und VAD und die Herstellerverbände BAH und BPI in einem Brief seine Rechtsauffassung dargelegt. Grundsätzlich, so führt das Ministerium aus, wird die Abgabeverpflichtung der Apotheken durch Hinterlegung eines Rabattkennzeichens in der maßgeblichen Arzneimitteldatenbank ausgelöst. Nach Auffassung des BMG darf die vertragschließende Krankenkasse ein Rabattkennzeichen in der Datenbank aber nur hinterlegen, wenn das rabattbegünstigte Arzneimittel wirtschaftlich ist (§ 12 Abs. 1 SGB V). Daraus folge, dass dann, wenn der sich für ein rabattbegünstigtes patentgeschütztes Bezugsarzneimittel ergebende Zahlbetrag der Krankenkassen höher als der Schwellenwert für die Preisgünstigkeit von Importen zu maßgeblichen Preisen sei, die Krankenkassen die Apotheken nicht zur Abgabe des unwirtschaftlicheren Bezugsarzneimittels durch die Hinterlegung eines Rabattkennzeichens verpflichten dürften. Das gleiche gelte, wenn es sich um bestehende Rabattverträge für Arzneimittel handelt, deren Patent ausläuft. Wenn in diesem Fall die Kosten der Krankenkassen nach Abzug des Rabatts höher sind als die für Generika zu marktüblichen Preisen, sei das Bezugsarzneimittel unwirtschaftlich. Die Krankenkasse dürfe auch dann keine bevorzugte Abgabe des Bezugsarzneimittels durch Hinterlegung eines Rabattkennzeichens in der maßgeblichen Datenbank bewirken.
Tatsächlich ist es so, dass die Apotheken auf die korrekte Kennzeichnung rabattierter Arzneimittel in der Datenbank angewiesen sind. Denn während sie in der Lage sind, festzustellen, ob der Preis eines Importarzneimittels die gesetzlich vorgegebenen Schwellenwerte unterschreitet (mind. 15 Prozent oder 15 Euro weniger als das Bezugsarzneimittel), wissen sie nicht, welchen tatsächlichen Preis ein rabattiertes Arzneimittel hat.
Der BAH vertritt die Auffassung, dass Abgabe rabattbegünstigter Bezugsarzneimittel nicht an das Kriterium der Preisgünstigkeit anknüpft. Apotheken müssten also dann, wenn das Rabattkennzeichen in der Software hinterlegt ist, das rabattbegünstigte (Bezugs-)Arzneimittel abgeben – sei es auch in Wirklichkeit teuerer als der Import. Dabei stützt sich der BAH auf ein (nicht rechtskräftiges) Urteil des Landgerichts Hamburg: In einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung zwischen einem Arzneimittelimporteur und einem Originalhersteller kommt dieses zum Ergebnis, dass der Grundsatz einer vorrangigen Abgabe des rabattierten Arzneimittels nicht nur dann gelte, wenn dieses auch preisgünstiger als das parallelimportierte, nicht rabattierte Arzneimittel sei. Der Wortlaut des § 129 Abs. 1 Satz 7 SGB V sei insoweit eindeutig und enthalte insbesondere keinerlei Einschränkung bezogen auf die Preisgünstigkeit. Einem Apotheker sei es schlechterdings nicht möglich, anhand seiner Apothekensoftware unter Berücksichtigung bestehender Rabattverträge die Preisgünstigkeit von Arzneimitteln festzustellen (Urteil des LG Hamburg vom 5. Mai 2011, Az.: 327 O 106/11).
Der BAH geht davon aus, dass über die Frage, wann, wie und unter welchen Bedingungen die Wirtschaftlichkeit und Preisgünstigkeit des rabattbegünstigten Arzneimittels festzustellen ist, letztlich höchstrichterlich entschieden werden muss.
Berlin - 22.07.2011, 14:00 Uhr