Anhörung Versorgungsstrukturgesetz

Hermann: ABDA/KBV-Konzept völlig verfehlt

Berlin - 18.10.2011, 12:33 Uhr


In der Gesundheitsbranche ist er als „Mr. Rabattvertrag“ bekannt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat den baden-württembergischen AOK-Chef Dr. Christopher Hermann trotzdem als „Einzelsachverständigen“ für die Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages zum Versorgungsstrukturgesetz benannt.

„Der vorgesehene Modellversuch wurde bereits bis hin zur politischen Spitze des BMG als angebliche Alternative zu den Arzneimittelrabattverträgen der Krankenkassen bezeichnet. Bei Schwächung der Arzneimittelrabattverträge werden indessen hohe reale Einsparungen für die GKV (2010:1,3 Mrd. EUR), mit denen Zusatzbeiträge für die Versicherten vermieden werden, leichtfertig zur Disposition gestellt“, schreibt der stellvertretende Vorsitzende der AOK Baden-Württemberg in seiner Stellungnahme.

Es gelte zu beachten, dass Arzneimittelrabattverträge nach dem strikten Regelwerk des EU-rechtlich vorgeformten Kartellvergaberechts (§§ 97 ff. GWB) ausgeschrieben und bezuschlagt seien. „Eingriffe Dritter, die die Vertragsumsetzung behindern, können ggf. massive Schadensersatzforderungen negativ betroffener pharmazeutischer Unternehmen auslösen und im weiteren auch der Krankenkassen wegen entgangener Einsparpotenziale nach sich ziehen“, droht Hermann sogar unverhohlen mit finanziellen Konsequenzen.

Als „wenig seriös“ beurteil Hermann zudem die von der ABDA genannten Einsparpotenziale: „Die vorliegenden Berechnungen des ABDA/KBV-Modells adaptieren zum einen völlig unreflektiert theoretische Einsparpotenziale aus (teilweise mehr als 10 Jahre alten) US-amerikanischen Untersuchungen und (ebenfalls älteren) WHO-Ermittlungen zur Patientencompliance auf deutsche Verhältnisse, zum anderen gehen sie bei der Ermittlung von angeblichen Einsparpotenzialen offensichtlich von Arzneimittelbruttoausgaben in der GKV aus und nicht von den tatsächlich durch die Krankenkassen gezahlten (rabattierten) Nettopreisen.“

Auf Ablehnung stößt bei Hermann auch die vorgesehene Schiedsstellenregelung zur Umsetzung eines Modellvorhabens. „Der erzwingbare Abschluss einer Vereinbarung zu einem Modellvorhaben konterkariert die bislang vorhandene Modellvorhabenskonzeption.“ Die Vorstellung des Gesetzgebers bei Vereinbarungen von Modellvorhaben sei bisher letztlich stets eine Win-Win-Situation der Vertragspartner gewesen. Eine Weiterentwicklung der Versorgung über die in § 63 SGB V definierten Ziele solle und dürfe den Beteiligten nur auf „freiwilliger Basis“ zugemutet werden.

Hermann: „Einen Zwang zur satzungsmäßigen Umsetzung gegen den Willen der Selbstverwaltung kann es nicht geben.“ Dies breche mit dem Prinzip der Satzungsautonomie der Krankenkassen und der grundsätzlichen Konzeption von Modellvorhaben. Letztlich greife der Entwurf damit in die Grundlagen der Selbstverwaltungsrechte der Krankenkassen massiv ein und „ist als völliger Fremdkörper im Kontext mit kassenindividuellen Modellvorhaben auch deshalb völlig verfehlt“.


Lothar Klein