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Kommentar
Aus und vorbei?
Bei allem Wohlwollen: Ich verstehe das BMG nicht mehr. Ist dem Gesundheitsministerium und seinem Minister der ordnungspolitische Kompass abhandengekommen?
Der nun vorliegende erste offizielle Referentenentwurf zur Apothekenbetriebsordnung zeigt sich in wesentlichen Punkten resistent gegenüber praktisch unisono vorgetragenen Einwänden, die sich noch auf Vorentwürfe oder das sog. Eckpunktepapier bezogen. Gegen alle Widerstände – zuletzt auf dem Apothekertag bekräftigt – will das BMG ein Kernelement des Apothekenrechts außer Kraft setzen: dass alle Apotheken einheitlichen Mindeststandards genügen müssen. Neben normalen Vollapotheken soll es künftig in Filialverbünden Schmalspurapotheken geben: Eine einzige Vollapotheke reicht. Wirklich?
Das BMG legt Sprengstoff an die Fundamente des Apothekenrechts. Dass den Verbänden trotzdem nur vier Wochen zur Stellungnahme eingeräumt werden, ist eine Provokation. Denn so, wie der Entwurf jetzt aussieht, ist er eine Mogelpackung. Hinter angeblicher Deregulierung und Entbürokratisierung verbirgt sich eine gefährliche Deprofessionalisierung. Angepriesene Entlastungen (z.B. bei der Labor-Ausstattung und bei der Literatur) wirken allenfalls marginal, schaffen aber Rechtsunsicherheit bei der Überwachung und werden durch zusätzliche Belastungen (z.B. bei Durchführung und Dokumentation von Rezepturen und Defekturen) weit überkompensiert.
Die Minimalisierung der Anforderung an Filialapotheken, die bisher leistungsfähig wie Vollapotheken sein müssen, ist erschreckend und offensichtlich nicht zu Ende gedacht. Filialapotheken werden Zweigapotheken gleichgestellt – aber ohne den dort greifenden Genehmigungsvorbehalt, also ohne dass ein lokaler Notstand in der Arzneiversorgung Voraussetzung ist. Rezeptur und Labor – nicht mehr nötig! Es reicht Offizin, Lagerraum, Nachtdienstzimmer. Mindestgröße? Keine mehr! Es fragt sich: Wozu eigentlich noch das Nachtdienstzimmer? Auch das BMG kann doch nicht glauben, man könne solche Minimal-Apotheken ohne Notstandsvoraussetzung noch am regulären Notdienst beteiligen.
Der ApBetrO-Entwurf des BMG ist aber nicht nur ein aggressives Filialisierungsförderprogramm. Er verschärft auch die skandalöse Privilegierung der Versand- gegenüber den Vor-Ort-Apotheken mit ihrem üblichen Botendienst-Service. Ohne vorherige persönliche Beratung in der Vor-Ort-Apotheke muss deren Bote demnächst dem pharmazeutischen Personal angehören. Bei Versandapotheken reicht der Postbote – und persönliche Beratung? Ist dort verzichtbar? Eigentlich genauso wenig. Wird aber nicht abverlangt. Kommt kaum (und wenn überhaupt) nur am Telefon vor.
Das war’s? Aus und vorbei? Nein, so wie jetzt präsentiert gehört die ApBetrO versenkt und nicht verabschiedet.
Berlin - 21.10.2011, 16:30 Uhr