Stammzellen

Springende Gene gezielt blockieren

Langen - 12.11.2011, 10:00 Uhr


„Springende Gene“ sind die Ursache für eine Reihe genetischer Krankheiten und werden mit der Entstehung mancher Tumoren in Zusammenhang gebracht. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts haben aufgeklärt, über welchen Mechanismus sich eine Gruppe dieser „Retrotransposons“, die sogenannten SVA-Elemente, im menschlichen Genom ausbreitet.

„Retrotransposons“ duplizieren und verteilen sich an unterschiedlichen Stellen im menschlichen Genom. 42 Prozent unseres Genoms bestehen aus solchen Elementen. Über diese „springenden Gene“ können immer wieder zufällig auch evolutionär vorteilhafte Varianten entstehen. Für das Individuum können die Transpositionen allerdings auch schädlich sein, weil dadurch genetische Erkrankungen oder auch Krebserkrankungen hervorgerufen werden können.

Innerhalb der Gruppe der Retrotransposons gehören die SVA-Elemente, die es nur bei Primaten gibt, zu den aktivsten Vertretern. Unter 35 bis 45 Neugeborenen findet sich eine Neuinsertion eines Retrotransposons. Etwa 3000 SVA-Kopien liegen im menschlichen Genom vor. Bis heute sind etwa 15 durch sie verursachte genetische und Tumorerkrankungen identifiziert worden. Dazu gehören beispielweise die autosomal rezessive Hypercholesterinämie (ARH), die Muskeldystrophie Typ Fukuyama sowie Neurofibromatose Typ 2 und Leukämie. Für die Gesamtgruppe der Retrotransposons sind es sogar 200 Erkrankungen.

Auch in embryonalen und induzierten pluripotenten Stammzellen – Hoffnungsträger der regenerativen Medizin – werden Retrotransposons mobilisiert. Beim Heranzüchten der Stammzellen für den therapeutischen Einsatz findet eine Destabilisierung des Stammzellgenoms statt, und die mutagenen mobilen Elemente werden aktiv. Das führt zu mutierten Zellen, die im Körper großen Schaden anrichten können. Um das Springen der mobilen DNA-Abschnitte zu verhindern, müssen die zugrundeliegenden Mechanismen verstanden und entsprechende Methoden entwickelt werden.

Einen Schritt weiter sind jetzt Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts gekommen: Sie haben herausgefunden, über welchen Weg die Vervielfältigung der so genannten SVA-Elemente (SINE-VNTR-Alus) in menschlichen Zellen funktioniert. Mit verschiedenen Zellkulturexperimenten konnten sie den Nachweis erbringen, dass SVA auf die Hilfe der LINE-1 Proteinmaschinerie angewiesen ist. Gelänge es, gezielt die LINE-1-Proteinmaschinerie zu blockieren, könnten möglicherweise mit einem Schlag alle Gruppen springender Gene ruhig gestellt werden.

Literatur: Raiz, J., et al.: Nucl. Acids Res. 2011, Online DOI: 10.1093/nar/gkr863.


Dr. Bettina Hellwig