Bundesgerichtshof

Das Pick-up-Modell aus Freilassing

Karlsruhe - 12.01.2012, 17:28 Uhr


Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) diskutierten heute die Anwälte mehrerer Apotheker aus Freilassing über das Für und Wider eines Apotheken-Pick-Up-Modells. Während die eine Seite ein Problem darin sieht, dass es keinen eindeutig Verantwortlichen gibt, erkennt die andere Seite darin einen Vorteil für den Kunden: Dieser habe gleich drei Ansprechpartner, so der Beklagten-Vertreter.

Bislang ist im Fall des bayerisch-ungarischen Apotheken-Pick-Modells keine Entscheidung gefallen. Nach der Verhandlung am frühen Vormittag war am Nachmittag einer BGH-Sprecherin zufolge noch nicht absehbar, wann in der Sache entschieden wird.

Gestritten wird um ein Konzept, das dem Vorteil24-Modell der holländischen Montanus-Apotheke ähnelt: Die beklagte Apothekerin aus dem bayerischen Freilassing bietet ihren Kunden an, Medikamente bei einer in Budapest ansässigen Apotheke zu bestellen und zusammen mit einer Rechnung der ungarischen Apotheke in der Apotheke in Freilassing abzuholen. Die Medikamente lässt sie dabei zunächst durch einen Großhändler aus Deutschland an die Apotheke in Budapest liefern. Von dort bringt das eigens beauftragte Transportunternehmen die Arzneimittel zusammen mit der Rechnung der ungarischen Apotheke in die Apotheke in Freilassing. Auf Wunsch werden die Kunden der Beklagten auch pharmazeutisch beraten.

Die klagenden Apotheker aus Freilassing argumentieren, bei diesem Modell sei für den Kunden nicht ersichtlich, wer der Hauptverantwortliche bzw. der Ansprechpartner bei Schwierigkeiten oder Rückfragen sei. Er müsste sich fragen „wer ist mein Apotheker?“, so der Vertreter der Klägerseite heute Morgen in der mündlichen Verhandlung. Die Beklagtenseite sieht darin kein Problem, denn der Kunde habe durch dieses Modell sogar drei Ansprechpartner bzw. Anspruchsgegner: den deutschen Apotheker, den ausländischen Apotheker und den Hersteller des Arzneimittels. Beratungs- und Haftungsfrage seien somit geklärt, befand die Beklagten-Vertreterin.

Weiterhin sehen die Kläger in der Tätigkeit des Beklagten ein unzulässiges, weil apothekenfremdes Geschäft. In den Betriebsräumen dürfen nach § 4 Abs. 5 ApBetrO keine apothekenfremden Geschäfte ausgeführt werden. Die Beklagte sei bloßer Lieferant für die Apotheke in Budapest und betreibe ein reines Inkassogeschäft, so das Argument. Dem hielt die Beklagtenseite entgegen, die Apotheke prüfe (die Pakete auf Vollständigkeit, Ablaufdatum etc.) und berate (bei Bedarf) – die Beklagte erfülle damit ihre apothekerlichen Pflichten. Bereits das Berufungsgericht habe entschieden, dass es sich vorliegend um kein apothekenfremdes Geschäft handle, betonte die Vertreterin.

Ihr zufolge ist die Beklagte zudem nicht an einem Versandhandel beteiligt: Der ungarische Apotheker versende die Arzneimittel nicht nach Deutschland, sondern die beklagte Apothekerin lasse die Medikamente von einem selbst beauftragten Unternehmen anliefern. Darüber hinaus betreibe sie auch kein Inkassogeschäft. Sie verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass Apotheker im Jahr 2009 den Schweinegrippeimpfstoff in großen Mengen gelagert hatten – und zwar auf Rechnung der Länder. Und auch Rezepte der Kunden lösten Apotheker ein – zulasten der Krankenkassen, so die Vertreterin. Letztendlich handle es sich bei der umstrittenen Tätigkeit also um einen alltäglichen Vorgang jedes Apothekers.



Juliane Ziegler