- DAZ.online
- News
- BGH: Krankenkassen ...
Unlautere Geschäftspraktiken?
BGH: Krankenkassen handeln auch unternehmerisch
Handelt eine gesetzliche Krankenkasse unlauter im Sinne des Wettbewerbsrechts, wenn sie irreführende Angaben über Nachteile für Mitglieder macht, die die Krankenkassen wechseln wollen? Diese Frage muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) klären.
Im Dezember 2008 meldete die Betriebskrankenkasse (BKK) Mobil Oil auf ihrer Internetseite „Wer die BKK M. jetzt verlässt, bindet sich an die Neue für die nächsten 18 Monate. Somit entgehen Ihnen attraktive Angebote, die Ihnen die BKK M. im nächsten Jahr bietet, und Sie müssen am Ende möglicherweise draufzahlen, wenn Ihre neue Kasse mit dem ihr zugeteilten Geld nicht auskommt und deswegen einen Zusatzbeitrag erhebt.“
Die Wettbewerbszentrale beanstandete diese Aussage als irreführend und somit wettbewerbsrechtlich unzulässig. Die Beklagte verschweige, dass im Falle der Erhebung eines Zusatzbeitrags für die Versicherungsnehmer ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht bestehe. Auf die Abmahnung der Zentrale reagierte die BKK zwar, indem sie die beanstandeten Aussagen von ihrer Internetseite entfernte. Sie lehnte es jedoch ab, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterschreiben, weshalb die Sache vor Gericht landete.
In erster und zweiter Instanz obsiegte die Wettbewerbszentrale mit ihrer Forderung. Beide Gerichte entschieden, die BKK dürfe im geschäftlichen Verkehr nicht mit den beanstandeten Aussagen werben. Die Krankenkasse ist jedoch der Ansicht, sie sei kein Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts, und als Körperschaft des öffentlichen Rechts handle sie außerdem nicht mit der erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht.
Der Senat möchte – wie die Vorinstanzen – ebenfalls einen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht bejahen. Zuvor soll jedoch der EuGH klären, ob die streitgegenständliche Werbemaßnahme überhaupt nach den Vorschriften des Wettbewerbsrechts beurteilt werden kann. Denn einerseits habe der Europäische Gerichtshof bereits entschieden, dass die deutschen gesetzlichen Krankenkassen bei der Festsetzung der Festbeträge für Arzneimittel nicht als Unternehmen im Sinne der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften tätig werden. Andererseits könnten die Krankenkassen laut EuGH außerhalb ihrer rein sozialen Aufgabe im Rahmen der Verwaltung auch Geschäftstätigkeiten ausüben, die keinen sozialen, sondern einen wirtschaftlichen Zweck haben. In diesem Fall seien sie als Unternehmen anzusehen, so der BGH.
Aus Sicht des BGH liegt es im vorliegenden Fall nahe, die beanstandete Handlung als irreführende Geschäftspraktik im Sinne des Wettbewerbsrechts einzustufen. Treten die Krankenkassen nämlich mit anderen Krankenkassen in einen Wettbewerb um Mitglieder, handelten sie insoweit jedenfalls unternehmerisch.
Berlin - 08.02.2012, 17:25 Uhr