Pro Life GmbH

Eine Krankenkasse als Abtreibungsgegner?

Berlin - 14.02.2012, 14:10 Uhr


„Als Sammelbecken fundamentalistischer Christen“ profiliert sich nach einem Bericht des „Spiegel“ die Betriebskrankenkasse für Industrie, Handel und Versicherungen (BKK IHV). Die Kasse stehe seit 2009 in einer Partnerschaft mit der Pro Life GmbH, deren Hauptgesellschafter der gleichnamige Schweizer Verein „Pro Life“ ist – laut „Spiegel“ eine der einflussreichsten Vereinigungen von Abtreibungsgegnern in Europa.

Versicherte der BKK IHV können zusätzlich zum Aufnahmeantrag in die Krankenversicherung die Beitrittserklärung zu „Pro Life“ unterschreiben. Damit verpflichten sie sich freiwillig dazu, keine Abtreibungen vornehmen zu lassen und niemanden aus dem näheren Umfeld dahin gehend zu beeinflussen. „Pro Life“-Mitglieder genießen innerhalb der BKK IHV Vorteile: Sie werden bei Aufnahme in die Krankenversicherung in einer eigenen Verwaltungsstelle betreut, bei Geburt eines Kindes wird von „Pro Life“ eine Prämie von 300 Euro gezahlt und es gibt Sondertarife für Großfamilien. Nach „Spiegel“-Angaben sind von den 16.000 Versicherten circa 1.200 auch Mitglied bei „Pro Life“.

Der Internetauftritt der BKK IHV ist eng vernetzt mit dem Angebot von „Pro Life Deutschland“. Die Grenzen zwischen beiden Parteien der Kooperation sind fließend. Schon auf der Startseite der Krankenkasse wird man ganz oben, an prominenter Stelle, über Link und Logo zur „Verwaltungsstelle Pro Life“ weitergeleitet.

Auch christliche Plattformen im Internet werben ganz gezielt die BKK IHV.  So bezeichnet beispielsweise die „Christliche Kooperationsbörse“, ein Online-Netzwerk für christliche Geschäftsleute, auf einer ihrer Homepages die Kasse als „einzige echte Alternative“ zur in Planung befindlichen eigenen „christlichen Krankenversicherung“. Es entstehe bei der BKK IHV der „einzige abtreibungsfreie Versichertenbestand Deutschlands“. Interessierte können ihre Antragsformulare zur Aufnahme in die BKK IHV auch direkt an die Christliche Kooperationsbörse schicken.

Die BKK IHV selbst äußerte sich gegenüber dem „Spiegel“ ausweichend: Man stehe vollständig hinter dem gesetzlichen Leistungskatalog, zu dem auch legale Abtreibung gehöre. Wie das mit der Kooperation zu vereinbaren ist, lässt Vorstandschef Heinz-Werner Stumpf im Dunkeln.

Ein Abbruch der Kooperation scheint dennoch eher unwahrscheinlich: Der Verwaltungsrat der BKK IHV müsste in dieser Sache mitentscheiden und hier sitzen einige Gremiumsmitglieder, die ein besonderes Interesse daran haben dürften, dass die Partnerschaft erhalten bleibt. Sie gehören zu „Pro Life“, so berichtet der „Spiegel“.

Sowohl von Seiten der anderen Krankenversicherungen als auch von Seiten des Bundesversicherungsamtes (BVA), das als Aufsichtsbehörde fungiert, wächst die Kritik gegenüber der bundesweit einmaligen Partnerschaft: Gegenüber DAZ.online erklärte ein BVA-Sprecher, zu Jahresbeginn ein Prüfverfahren gegen die BKK IHV eingeleitet zu haben. Man sehe die Kooperation kritisch. 


Almuth Schmidt