Verbot der Ärztekammer aufgehoben

Arzt darf Medikamente für Suizid überlassen

Berlin - 03.04.2012, 14:37 Uhr


Die Ärztekammer Berlin darf einem Arzt nicht uneingeschränkt untersagen, sterbewilligen Patienten lebensverkürzende Arzneimittel zu überlassen. Ein generelles Verbot ohne Ausnahmeregelungen ist nach Auffassung des Verwaltungsgericht Berlin mit den Grundrechten der freien Berufsausübung und der Gewissensfreiheit des Arztes unvereinbar.

Die ÄKB hatte im Jahr 2007 dem Urologen Uwe-Christian Arnold, in Berlin tätig und zum damaligen Zeitpunkt zweiter Vorsitzender des Vereins Dignitate (heute: Dignitas Deutschland), untersagt, Sterbewilligen todbringende Substanzen für deren beabsichtigten Suizid zu überlassen. Dagegen ging der Arzt gerichtlich vor. Mit Erfolg: Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts hielt das ausnahmslose berufsrechtliche Verbot im konkreten Fall für zu weitgehend und hob es auf.

Das Gericht gab der ÄKB zwar grundsätzlich recht, dass sie die ärztlichen Berufspflichten überwachen und bei drohenden Pflichtverstößen Untersagungsverfügungen erlassen dürfe. Zu diesen ärztlichen Berufspflichten gehöre auch die gewissenhafte Ausübung des Berufs nach den Geboten der ärztlichen Ethik – wie dem allgemeinen Verbot des ärztlich assistierten Suizids. 

Die Kammer hielt das uneingeschränkte Verbot jedoch mit den Grundrechten der freien Berufsausübung (Art. 12 GG) und der Gewissensfreiheit des Arztes (Art. 2 Abs. 1 GG) für unvereinbar. In Fällen, „in denen ein Arzt aufgrund einer lang andauernden, engen persönlichen Beziehung in einen Gewissenkonflikt geraten würde, weil die Person, die freiverantwortlich die Selbsttötung wünsche, unerträglich und irreversibel an einer Krankheit leide und alternative Mittel der Leidensbegrenzung nicht ausreichend zur Verfügung stünden“, gehe ein grundsätzliches Verbot unter Androhung eines Zwangsgeldes zu weit.

Das Gericht stellte allerdings auch ausdrücklich klar, dass ein Arzneimittelabgabe-Verbot an Sterbewillige, die gesund oder in ihrer Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt sind, verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Ohne Weiteres zulässig sei auch ein Verbot beruflicher oder organisierter Sterbehilfe, wie sie der Verein Dignitas anbiete. Schon im März positionierte sich die Bundesärztekammer zu dieser Frage eindeutig: „Als Sterbehelfer stehen wir nicht zur Verfügung“, sagte Bundesärztekammer-Präsident Dr. Frank Ulrich Montgomery. 

Das Urteil ist jedoch nicht als Grundsatzurteil in Sachen Sterbehilfe zu verstehen. Eine ÄKB-Sprecherin betonte gegenüber DAZ.online, das Gericht habe lediglich klargestellt, „dass sich aus den insofern maßgeblichen Regelungen der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin kein ausnahmsloses Verbot ableiten“ lasse. Die Frage, ob die aktuelle Regelung in der Muster-Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte zulässig sei, habe das Gericht dagegen nicht entschieden. Dort heißt es in § 16 Satz 2 und 3: „Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ 

Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 30. März 2012, Az. VG 9 K 63.09 – nicht rechtskräftig


Juliane Ziegler


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