Zytostatika-Preise

Graue: Politik wünscht Intransparenz

Berlin - 10.04.2012, 16:35 Uhr


Der im aktuellen „Spiegel“ erschienene Artikel „Die Krebs-Mafia“ hat auch einen Ableger im Internet. Auf „Spiegel online“ findet sich ein Interview mit Dr. Jörn Graue, dem Vorsitzenden des Hamburger Apothekervereins. Darin zeigt sich Graue gegenüber den sogenannten „Beraterverträgen“ in der Zytostatikaversorgung sehr skeptisch. Gegenüber DAZ.online erklärte er, dass der intransparente Markt jedoch offenbar vom Gesetzgeber gewünscht sei.

Auch Graue wurde vergangene Woche vom Spiegel-Journalisten Markus Grill angerufen. Das Gespräch wurde später als Interview zusammengefasst. Darin nennt der Hamburger Apotheker als „Wurzel des Übels“ den Herstellerabgabepreis: Die Pharmafirmen müssten gemäß § 78 Arzneimittelgesetz dafür sorgen, dass ihre Präparate zu einem einheitlichen Preis in der Apotheke landen. Diese Vorschrift sei jedoch nicht strafbewehrt – eine „absurde Situation“, die der Gesetzgeber dringend regeln müsse. „Dann wären viele Probleme gelöst“ zitiert „Spiegel online“ Graue. Mehr als skeptisch sieht er es zudem, dass Apotheken mit Herstellern bzw. Großhändlern seit 2009 die Preise für Zytostatikazubereitungen frei aushandeln können. Dies habe den Preismarkt vollkommen intransparent gemacht, mafiöses Verhalten sei dabei durchaus zu beobachten.

Gegenüber DAZ.online betonte Graue allerdings, dass diese Intransparenz politisch offensichtlich gewünscht sei. Dies sieht er nicht zuletzt durch die jüngst vom Bundesrat beschlossene Empfehlung zur anstehenden Novelle des Arzneimittelgesetzes belegt. Darin bitten die Länder die Bundesregierung zu prüfen, wie die Preisabschläge, die GKV-Spitzenverband und Hersteller nach den Vorgaben des AMNOG für neue Arzneimittel aushandeln „vertraulich abgewickelt werden könnten, um unbeabsichtigte wirtschaftliche Effekte zu vermeiden“. Befürchtet wird eine Preiserosion, wenn die Rabatte transparent gemacht würden – schließlich ist Deutschland bei den Arzneimittelpreisen nach wie vor Referenzland für viele Länder. Graue zufolge ist der Politik daran gelegen, diese Referenzpreise hochzuhalten. Sie richte dabei ihren „Fokus einseitig auf die Interessen der Pharmaindustrie“, sagte er gegenüber DAZ.online. Auch bei Rabattverträgen über Generika steht die Geheimhaltung der Preisnachlässe bekanntlich nicht infrage. Diese Haltung ist für Graue auch auf Zytostatika übertragbar. Hier sei die Situation ähnlich wie bei den Rabattverträgen – allerdings ohne gesetzliche Regelung und mit dem Unterschied, dass nicht die Krankenkasse die Preise bestimme.

Kritisch sieht Graue zudem die derzeitigen regionalen Zytostatika-Ausschreibungen der AOK Nordost und der Barmer GEK. Die Kassen versuchten weitere Ressourcen zu heben, ließen dabei aber das Patientenwahlrecht außer Acht. Dieses dürfe jedoch nicht ausgehebelt werden, betonte Graue.


Kirsten Sucker-Sket