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Tierschutznovelle passiert Kabinett
Neue Vorgaben für Tierversuche
Das Bundeskabinett hat heute einer Änderung des Tierschutzgesetzes zugestimmt. Sie enthält Regelungen zur Ferkelkastration, Wildtieren in Zirkussen und Pferde-Schenkelbrand – aber auch Versuchstiere sind ein Aspekt der Novelle. Mit ihr werden Vorgaben der EU-Versuchstierrichtlinie und der EU-Tierschutzrichtlinie umgesetzt. Viele Detailregelungen zu Tierversuchen sollen allerdings erst in einer Verordnung geregelt werden.
Tierversuche sind ein heikles Thema – doch gerade in der Arzneimittelforschung sind sie gesetzlich vorgeschrieben und damit ein Fakt, mit dem man umgehen muss. In der Pressemeldung des federführend zuständigen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) heißt es nun, der Schutz von Versuchstieren werde wesentlich verbessert. So würden erstmals gesonderte Regelungen für die Verwendung von Affen eingeführt. „Zentraler Bestandteil ist unter anderem ein fast vollständiges Verbot der Nutzung von Menschenaffen als Versuchstiere“. Dies gesetzlich – und zwar in der gesamten EU – festzuschreiben, ist sicherlich richtig und wichtig. De facto werden Menschenaffen in Deutschland schon seit 1991 nicht mehr für Tierversuche in der Pharmaforschung herangezogen. In anderen Ländern gibt es allerdings noch Labors, in denen mit Menschenaffen gearbeitet wird. Dabei geht es um Infektionskrankheiten wie HIV. Hierzulande sind andere Primaten – beispielsweise Makaken – ein übliches Versuchstier, auch in der Pharmaindustrie.
Der nun beschlossene Gesetzentwurf sieht grundlegende Veränderungen im gesamten Abschnitt zu Tierversuchen vor. So wird beispielsweise, wie von der europäischen Tierschutzrichtlinie gefordert, das 3-R-Prinzip verankert. Dabei geht es darum, Tierversuche möglichst zu vermeiden (replace), jedenfalls aber ihre Zahl zu verringern (reduce) und die Haltung der Tiere zu verbessern bzw. ihr Leiden zu vermindern (refine). Zudem gibt es aus Europa Vorgaben, die in Deutschland schon in ähnlicher Form etabliert sind – so etwa die Notwendigkeit von Tierschutzbeauftragten in Betrieben, die Tierversuche durchführen. Während die EU-Richtlinie ein Gremium fordert, genügt hierzulande bislang ein Tierschutzbeauftragter. Insoweit müssen die bestehenden Regelungen ergänzt werden. Näheres soll eine Verordnung regeln. Dies gilt auch für die ebenfalls von der EU-Richtlinie geforderte Kategorisierung von Tierversuchen nach Schweregraden. Der nun vorliegende Gesetzentwurf enthält keine Definitionen, wann ein Versuch als gering, mittel oder schwer belastend für das Tier einzustufen ist. Relevant wird diese Einordnung etwa bei der Frage, ob ein Tier einem erneuten Versuch zugeführt werden darf. In einigen Bundesländern sowie in der Schweiz und Großbritannien existieren bereits Schweregrad-Kataloge.
Kritik an der Tierschutznovelle übte der Tierschutzbeauftragte der Linksfraktion, Alexander Süßmair. Er spricht von „reiner Symbolpolitik“. So passe die Regierung bei Tierversuchen lediglich das deutsche Recht an EU-Recht an – „und das war's“. Damit werde eine wichtige Chance vertan, meint Süßmair. Er sieht das eigentliche Problem im mangelnden Vollzug des Tierschutzrechts. Hierzu müssten die Behörden besser ausgestattet werden. Zudem dürften die Tierschutzkommissionen, die über Tierversuchsanträge entscheiden, nicht mehrheitlich aus Naturwissenschaftlern, die selbst Tierversuche durchführen, bestehen.
Weitgehende Zustimmung kommt dagegen vom Verband forschender Pharmaunternehmen (vfa). Hier findet man es begrüßenswert, dass sich das BMELV weitgehend an die europäischen Vorgaben gehalten hat. Der vfa mahnt allerdings an, Bewährtes wie den Tierschutzbeauftragten nicht infrage zu stellen. Zudem fordert er eine klare und bundeseinheitliche Regelung der Schweregrad-Kataloge. Ein Flickenteppich müsse vermieden wäre. Am besten wäre eine EU-weit einheitliche Handhabung – zumindest jedoch müssten bundesweit gleiche Maßstäbe gelten.
Der Entwurf für das neue Tierschutzgesetz sieht zudem ein Verbot der betäubungslosen Kastration von Ferkeln ab 2017 vor. Außerdem soll die Ausnahmeregelung für den Schenkelbrand beim Pferd künftig entfallen – dieser sei angesichts der vorgeschriebenen Kennzeichnung von Pferden mit einem elektronischen Mikrochip nicht mehr vertretbar. Der Gesetzentwurf enthält auch eine Ermächtigung, das Zurschaustellen bestimmter Wildtiere in Zirkusbetrieben durch Verordnung zu verbieten. Sie soll zum Einsatz kommen, wenn sich herausstellen sollte, dass deren Haltung in Zirkussen tierschutzgerecht nicht möglich ist und die bisherigen Maßnahmen unzureichend sind.
Nach dem Kabinettsbeschluss wird der Entwurf des Tierschutzgesetzes nun dem Bundesrat und dem Bundestag zugeleitet. Das BMELV geht davon aus, dass das Gesetz im Herbst 2012 in Kraft treten kann. Ob die zugehörigen Verordnungen ebenfalls zu diesem Zeitpunkt wirksam werden, ist noch nicht klar. Die europäischen Vorgaben sehen eine Umsetzung in nationales Recht bis zum 10. November 2012 vor.
Berlin - 23.05.2012, 16:50 Uhr