AMNOG-Preisverhandlungen

BPI kritisiert zu große Kassen-Macht

01.06.2012, 13:58 Uhr


Gestern wurden nicht nur die ersten Preisverhandlungen nach AMNOG abgeschlossen – es fiel auch die Entscheidung, abermals eine Innovation aus dem deutschen Markt zurückzuziehen. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) bleibt daher kritisch, ob die frühe Nutzenbewertung und die anschließenden zentralen Verhandlungen über den Erstattungsbetrag tatsächlich ein Erfolg sind.

Der BPI sieht sich angesichts der gestrigen Ereignisse in seiner Einschätzung bestätigt, dass die AMNOG-Regelungen funktionieren können – jedenfalls „wenn beide Seiten Augenmaß walten lassen“. Sie seien jedoch zum Scheitern verurteilt, wenn der Spitzenverband der Krankenkassen seine „omnipotente Stellung“ auszunutzen versuche.

„Wir haben uns für faire Verhandlungslösungen ausgesprochen – aber für keine, bei der der Kapitän der gegnerischen Mannschaft gleichzeitig Schiedsrichter ist und in der Regelkommission sitzt“, erklärte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. Der GKV-Spitzenverband ist aus Sicht des Verbandes jedoch in einer solchen Position: Er verhandele nicht nur die Erstattungsbeträge, er habe auch die meisten Stimmen im Gemeinsamen Bundesausschuss, der über die Nutzenbewertungen beschließt. Zudem bestimme der Spitzenverband die Prüfaufträge des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen mit und sitze überdies in dessen Stiftungsrat.

Fahrenkamp räumt ein, dass im Fall von Ticagrelor alles gut gelaufen ist. Die Vertragsparteien hätten sich „offenbar mit dem nötigen Augenmaß geeinigt“. Dies sei bisher jedoch ein Einzelfall. „Ob er zum Regelfall wird, bleibt abzuwarten – angesichts der Übermacht des GKV-Spitzenverbandes sind leider Zweifel angebracht“, so Fahrenkamp. Diese Zweifel nährt der Fall Retigabin. Dieser mache deutlich, dass eine Ausnutzung der mächtigen Stellung des GKV-Spitzenverbands die Verhandlungen zum Scheitern bringe.

Wenig hoffnungsfroh stimmt den BPI auch die bisherige Bilanz der frühen Nutzenbewertung:  In den 27 begonnenen und 16 beendeten Verfahren sind bisher nur zwei Präparate mit einem beträchtlichen Zusatznutzen in Teilindikationen bewertet worden. Ein erheblicher Zusatznutzen wurde bislang keinem Präparat zugestanden. Bei drei Präparaten entschieden sich die Hersteller bereits, diese gar nicht erst in den deutschen Markt einzuführen bzw. aus diesem wieder zurückzunehmen. Der BPI kritisiert: Das vom Spitzenverband angebotene minimale Preisniveau biete in diesen Fällen keine wirtschaftliche Grundlage für die Refinanzierung von Innovationen. Die Folgen für die deutschen Patienten seien dramatisch, ihnen würden innovative Arzneimittel vorenthalten.


Kirsten Sucker-Sket