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Gesetzliche Krankenkassen
Kassen warnen vor Ausdehnung des Kartellrechts
Die gesetzlichen Krankenkassen laufen Sturm gegen die Pläne der Bundesregierung, das Kartellrecht weiter auf sie auszudehnen. Der AOK-Bundesverband und der Verband der Ersatzkassen plädieren stattdessen für ein speziell auf die gesetzliche Krankenversicherung ausgerichtetes Gesundheitswettbewerbsrecht.
Die Bundesregierung will mit der achten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die auf Krankenkassen anwendbaren Vorschriften des Kartell- und Wettbewerbsrechts ausweiten. So sollen etwa das Abspracheverbot und die Missbrauchsaufsicht auch auf das Verhältnis der Krankenkassen untereinander und im Verhältnis zu den Versicherten für entsprechend anwendbar erklärt werden – bislang gilt dies nur in Bezug auf Leistungserbringer. Gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen der Kassen oder ihrer Verbände sowie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sollen allerdings ausgenommen bleiben. Das betrifft etwa die Festbetragsgruppenbildung durch den G-BA und die Festsetzung von Festbeträgen durch den GKV-Spitzenverband. Ebenso wenig sollen die Vereinbarungen zwischen pharmazeutischen Herstellern und GKV-Spitzenverband über Erstattungsbeträge einer kartellrechtlichen Überprüfung zugänglich sein. Die Durchsetzung der neu auf die Kassen anzuwendenden Normen soll in der Zuständigkeit der Kartellbehörden liegen.
Anlässlich eines Expertengesprächs zu dieser Novelle im Gesundheitsausschuss warnten die Kassenverbände heute eindringlich vor einer „undifferenzierten“ Ausdehnung in „noch größerem Umfang als bisher“. Vielmehr solle die Regierung im Interesse der Patienten von ihren Plänen Abstand nehmen. Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, und seine Kollegin vom vdek, Ulrike Elsner, betonten, dass das privatrechtliche Kartellrecht und die soziale Krankenversicherung nicht zusammenpassten. Folge einer solcher Änderung sei, dass Kooperationen der Krankenkassen und ihrer Verbände dann grundsätzlich dem Kartellverbot unterliegen. Dann, so klagen die Kassenverbände, könne es zu Problemen kommen bei gemeinsamen Präventions- und Selbsthilfeprojekten. „Gemeinsame Kassenaktionen zum Beispiel bei der Krebsvorsorge oder bei Schutzimpfungen würden erschwert oder gar verhindert“, mahnen sie – zum Beispiel das Mammografiescreening. Auch die Zusammenarbeit zur Verhinderung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen sei gefährdet, warnen die Kassen.
Offenbar haben sie wenig Vertrauen in die Begründung der Regierungsfraktionen zum Gesetzentwurf. Dort heißt es, dass „gemeinsame Verhaltensweisen der Krankenkassen, deren Schwerpunkt nicht in einer Beschränkung des Wettbewerbs, sondern in einer im Patienteninteresse sinnvollen gemeinsamen Organisation der Versorgung liegt“, kartellrechtlich unbedenklich sein dürften. Als Beispiel ausdrücklich genannt wird die Kooperationsgemeinschaft Mammographiescreening. Ob die Regierungskoalition auch bei gemeinsamen Rabattverträgen von Kassen so denkt, ist dem Gesetzentwurf allerdings nicht zu entnehmen.
Anlass für die Gesetzesänderung gibt ein Urteil des Landessozialgerichtes Hessen vom 15. September 2011. Dieses hatte zum gemeinsamen Handeln einzelner Krankenkassen bei der Ankündigung von Zusatzbeiträgen feststellt, dass es für die Anwendung des Kartellrechts auf die Wettbewerbsbeziehungen der gesetzlichen Kassen untereinander an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung als auch an der Unternehmenseigenschaft der Kassen fehlt. Ein Auskunftsverlangen des Bundeskartellamtes gegenüber Krankenkassen sei insofern rechtswidrig.
Berlin - 27.06.2012, 15:44 Uhr