Multiple Sklerose

Angriff auf einen Kaliumkanal

München - 20.07.2012, 11:33 Uhr


Die sichere Diagnose der Multiplen Sklerose (MS) erfordert langjährige neurologische Erfahrung. Manchmal ist eine eindeutige Diagnose erst nach Jahren möglich. Ein neuer potenzieller Biomarker, der mittels Bluttest bestimmt wird, könnte zukünftig die Diagnose vereinfachen.

Einem Forscherteam des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS) ist es gelungen, den Kaliumkanal KIR4.1 als Ziel von Autoantikörpern bei MS zu identifizieren. Sie konnten bei fast der Hälfte der untersuchten MS-Patienten einen Autoantikörper gegen KIR4.1 im Blut nachweisen. Diese Beobachtung könnte darauf hinweisen, dass KIR4.1 ein wichtiges Ziel der Immunantwort bei MS ist.

Kaliumkanäle sind beim Menschen an der Regulierung des Elektrolythaushalts beteiligt und damit auch an elektrischen Vorgängen in erregbarem Gewebe wie Nerven- und Muskelzellen. Menschen und Tiere, denen KIR4.1 fehlt, haben neurologische Ausfälle. Sie können beispielsweise Bewegungen nicht richtig koordinieren (Ataxie). Außerdem ist bei ihnen die Bildung des Myelins, der schützenden Isolierschicht um Nervenzellen, gestört. Das besondere an KIR4.1 ist, dass es sowohl im Zentralnervensystem (ZNS) als auch in den Nieren vorkommt.

KIR4.1 findet sich vor allem in der Zellmembran von Gliazellen, die für den Stoffwechsel im Gehirn und die Bildung der Markscheide verantwortlich sind. Die Forscher fanden heraus, dass der Autoantikörper genau dort an KIR4.1 bindet, wo das Protein aus der Zellmembran herausragt. Im Tiermodell führt der Autoantikörper zum Verlust von KIR4.1 und zur Aktivierung der Komplementkaskade, einem Teil der Antikörperantwort. Der Autoantikörper ist also biologisch aktiv und trägt möglicherweise zur Schädigung in der MS-Läsion bei.

Literatur: Srivastava, R., et al.: N. Engl. J. Med. 2012; 367:115-23, Online: doi: 10.1056/NEJMoa1110740.


Dr. Bettina Hellwig