Frühe Nutzenbewertung

Stackelberg: Marktrücknahmen sind kein Problem

Berlin - 15.08.2012, 10:49 Uhr


Der Vizechef des GKV-Spitzenverbands zieht rund sieben Monate nach den ersten Erstattungspreisverhandlungen eine positive Zwischenbilanz zur frühen Nutzenbewertung. Es habe sich schon jetzt eindeutig gezeigt, dass viele neue Arzneimittel keinen Zusatznutzen haben, sagte Johann Magnus von Stackelberg in einem Interview mit dem „Handelsblatt“.

Ende Januar waren der GKV-Spitzenverband und AstraZeneca in die ersten Verhandlungen nach den Vorgaben des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes eingestiegen. Im Juni war ein Erstattungspreis für Ticagrelor (Brilique®) ausgehandelt. Umgesetzt werden kann dieser noch nicht – denn ein paar „technische“ Probleme gibt es noch: Welcher Preis ist maßgeblich für die Berechnung der Handelszuschläge der Apotheken und des Großhandels? Welcher für die Mehrwertsteuer?

Stackelberg betont gegenüber dem „Handelsblatt“: „Das Ganze ist ein lernendes System. Da lernen die Unternehmen, aber auch wir mit jeder Verhandlungsrunde dazu“. Schon jetzt lasse sich aber sagen: „Es hat sich im Grundsatz als tragfähig erwiesen, die frühe Bewertung des Zusatznutzens neuer Medikamente zum Ausgangspunkt der Preisverhandlungen zu machen“.

Der GKV-Vize verweist darauf, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für insgesamt acht Präparate keinen zusätzlichen Nutzen erkennen konnte. Daraufhin haben sich bislang vier Unternehmen für das sogenannte „Opt-out“ entschieden. „Die Firmen haben also erst gar keine Preisverhandlungen aufgenommen, um zu verhindern, dass die Preise, die sie in Deutschland aufgrund des fehlenden Zusatznutzens gekriegt hätten, im Ausland Schule machen“, erklärt Stackelberg. Für die Patientenversorgung, so betont er, sei es „in der Regel kein Problem“, dass die Präparate hierzulande nicht auf dem Markt sind. Innovationen seien dies nicht – für die betreffenden Krankheiten gebe es längst ähnlich wirkende Medikamente. Die Strategie von Pharmaunternehmen, Arzneimittel auf den Markt zu bringen, die sich nur in Molekülvarianten von den Vorläufern unterschieden, vom Preis her jedoch Innovationsstatus beanspruchten, funktioniere nun nicht mehr. „Und das ist auch gut so“, freut sich Stackelberg.

Bei einzelnen Kassen sieht man die Lage offenbar ein wenig anders: So erklärten etwa die AOK und die Techniker Krankenkasse, sie würden auch in Zukunft die Kosten für das Epilepsie-Medikament Retigabin (Trobalt®) übernehmen, wenn ein Patient hierauf eingestellt ist. Der Hersteller GlaxoSmithKline hatte das Präparat vom deutschen Markt genommen, nachdem der G-BA ihm keinen belegten Zusatznutzen zugestanden hatte. Die Versorgung deutscher Patienten kann jedoch über Einzelimporte erfolgen.

Was die bisher durch die frühe Nutzenbewertung erreichten Einsparungen betrifft – der Gesetzgeber sah hier ein Potenzial von zwei Milliarden Euro –, räumt Stackelberg ein, dass diese noch „überschaubar“ seien. Immerhin sei absehbar, dass die bisher vereinbarten Preisnachlässe in der Regel die Höhe des bis 2013 geltenden höheren Herstellerrabatts überschreiten. Kostensteigerungen seien damit nicht zu befürchten. Nennenswerte Einsparungen erwartet der GKV-Spitzenverband allerdings erst, wenn der Bestandsmarkt angegangen wird. Da hat sich der G-BA zunächst die Gliptine vorgeknöpft. Diese modernen Diabetesmittel haben sich zu einem beträchtlichen Kostenblock in der GKV entwickelt.


Kirsten Sucker-Sket