Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen

Demografischer Faktor – eine überschätzte Größe?

Berlin - 30.08.2012, 12:29 Uhr


Treibt der demografische Wandel die Ausgaben der Krankenkassen tatsächlich nach oben? Ist er ein zugkräftiges Argument, wenn Leistungserbringer Honorarerhöhungen einfordern? Die Barmer GEK hat hierzu neue Berechnungen angestellt. Ihr Ergebnis: Nur ein knappes Fünftel der Ausgabensteigerung ist auf reine Alterungseffekte zurückzuführen.

Fakt ist: Die Gesundheitsausgaben steigen mit dem Alter. Ab etwa 50 Jahren geht es kräftig nach oben – Männer sind dabei noch teuerer für die Kassen als Frauen. Vor allem die Ausgaben für stationäre Behandlungen erhöhen sich massiv. Ab Ende 60 steigen zudem die „sonstigen Leistungsausgaben“ deutlich: vor allem jene für Heil- und Hilfsmittel sowie Fahrtkosten. Die Ausgaben für Arzneimittel und die ambulante ärztliche Behandlung halten sich demgegenüber in Grenzen. Sie reduzieren sich ab einem Alter von 80 Jahren sogar wieder etwas.

Dr. Uwe Repschläger, Bereichsleiter Unternehmenssteuerung bei der Barmer GEK, hat sich den Einfluss der demografischen Entwicklung auf die Gesundheitsausgaben nun genauer angeschaut. Dabei hat er eine Rechenmethode angewandt, mit der der reine Demografieeffekt auf die Ausgaben isoliert wird. Danach sind in den vier Jahren 2007 bis 2010 die jährlichen Kosten für einen Versicherten um durchschnittlich rund 88 Euro pro Kopf gestiegen. Davon waren jeweils nur 16 Euro bzw. 18 Prozent demografiebedingt. In Zukunft werde der Einfluss des demografischen Wandels auf die Kostenentwicklung sogar noch geringer, prognostiziert Repschläger. Bis zum Jahr 2040 sei von einer altersbedingten jährlichen Zunahme zwischen elf und 13 Euro pro Kopf auszugehen. Der Höhepunkt demografiebedingter Kostensteigerung werde aber bereits im Jahr 2013 erreicht sein.

Die Demografie an sich habe also nur einen „begrenzten Erklärungswert“, wenn man Gründe für die Ausgabensteigerungen sucht, betonte der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. Christoph Straub. Mehr ältere Patienten bedeuten nicht zwangsläufig mehr Behandlungsbedarf. Viel größere Ausgabentreiber seien der medizinisch-technische Fortschritt, veränderte Angebotsstrukturen, Preiserhöhungen sowie die zunehmende Vermarktung medizinischer Leistungen.

So ermögliche es etwa der technische Fortschritt, dass viele Behandlungen heute auf minimalinvasive Weise vorgenommen werden können. Damit könne man sie auch älteren Menschen zumuten, für die eine entsprechende Behandlung früher viel zu belastend gewesen wäre. Wichtig ist aus Straubs Sicht, dass der medizinische Fortschritt nicht schlicht additiv zu den bestehenden Gesundheitsleistungen hinzutrete. Er müsse vielmehr „Treiber von Strukturanpassungen“ im Gesundheitswesen werden.

Der Barmer GEK-Chef stellte außerdem klar: Der medizinische Fortschritt ist gewollt. Weder Leistungen noch bestimmte Patientengruppen sollen dabei ausgeschlossen werden. Der breite Zugang zur Gesundheitsversorgung sei hierzulande „optimal gesichert“, betonte Straub. Und daran dürfe sich nichts ändern.


Kirsten Sucker-Sket


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