AOK-Bundesverband

Graalmann: GKV jetzt sturmfest machen

Potsdam - 07.09.2012, 15:11 Uhr


Die derzeitigen Milliardenüberschüsse bei den gesetzlichen Kassen und im Gesundheitsfonds dürfen nicht durch kurzfristigen Aktionismus verbrannt werden – dies mahnt der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes Jürgen Graalmann an. Vielmehr brauche man das Geld, um die Architektur des GKV-Systems zu erneuern und das „Finanzplus zu einem Qualitätsplus“ zu machen.

Das derzeitige Finanzplus habe sehr spezielle Ursachen, erklärte Graalmann am 6. September in Potsdam. Nachdem man 2010 ein milliardenschweres Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung erwartet hatte, trat die Regierungskoalition in Aktion. Sie beschloss eine Beitragssatzerhöhung, stockte den Bundeszuschuss auf und verabschiedete Spargesetze. Hinzu kam, dass sich die Konjunktur - und mit ihr die Einnahmen - weitaus besser entwickelte als erwartet. Dennoch gebe es eine strukturelle Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben, betonte Graalmann. Während die Einnahmen seit 2004 im Schnitt nur um 1,5 Prozent jährlich gestiegen seien, kletterten die Ausgaben um durchschnittlich 3,6 Prozent nach oben. Schuld daran seien vor allem ineffiziente Strukturen.

Mit den jetzt vorhandenen Rücklagen könne man die strukturelle Lücke dauerhaft schließen, meint Graalmann. „Wir haben die historische Chance, die gesetzliche Krankenversicherung sturmfest zu machen“. Das Geld sei nötig, „um Zeit zu kaufen, bis Strukturreformen wirken können“. So sei der Gesetzgeber auch bei Arzneimitteln vorgegangen: Bevor die strukturellen Veränderungen durch die frühe Nutzenbewertung spürbar werden, hat er vorübergehend einen erhöhten Zwangsrabatt und ein Preismoratorium eingeführt. Nun setzt Graalmann auf weitere Strukturreformen nach der Bundestagswahl. Angesetzt werden müsse beispielsweise an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Anregungen hierzu gebe das jüngste Gutachten des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen.

Aber auch die Medizinprodukte hat man bei der AOK im Visier – eine Branche, die bei allen letzten Reformen gut weggekommen ist. So kann sich der AOK-Bundesverband auch für diese Produkte eine Art „AMNOG“ vorstellen. Uwe Deh, geschäftsführender Vorstand des AOK-Bundesverbandes, verwies auf gewisse „Hochrisiko-Medizinprodukte“. Diese müssten sich künftig zunächst Studien unterziehen, bevor sie zur Anwendung kommen. Auch eine Haftpflichtversicherung der Hersteller, die geschädigte Patienten im Ernstfall in Anspruch nehmen können, sei denkbar. Deh hat dabei etwa Stents vor Augen, die in Gehirngefäße implantiert werden, um Schlaganfälle zu vermeiden. Eine Studie habe 2011 jedoch gezeigt, dass die Stents das Schlaganfallrisiko verdoppelt haben. Diese Studie sei in den USA wegen des Schadens bereits nach 451 Patienten abgebrochen worden. In Deutschland seien jedoch bereits 3.500 Patienten mit dieser fragwürdigen Methode behandelt worden.

Auch in Zeiten voller Kassen sieht Deh die Rufe der Ärzte, Apotheker und Krankenhäuser nach mehr Geld mehr als kritisch. Er will nicht, dass am Ende der etwas bekommt, der am „lautesten und eindrucksvollsten brüllt“. Die Patienten hätten davon nichts und würden lediglich verunsichert. Die Kassen hingegen wüssten, dass dies „nur Show“ sei.


Kirsten Sucker-Sket


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