Ciguatoxin-Vergiftung

Angriff an Natriumkanälen

Erlangen-Nürnberg - 23.09.2012, 13:00 Uhr


Ciguatera ist weltweit die häufigste Fischvergiftung. Sie wird durch den Verzehr von normalerweise harmlosen und geschmackvollen Speisefischen verursacht, die Ciguatoxine enthalten. Dabei kommt es zu heftigem Unwohlsein. Noch lange Zeit danach melden einige Nerven schmerzhafte Kälte bei Temperaturen, die früher als erfrischend kühl empfunden wurden.

Ciguatoxine stammen ursprünglich von einzelligen Geißeltierchen, Dinoflagellaten, die auf Algen und Seetang im Korallenriff als Epiphyten leben. Im Laufe der Nahrungskette reichert sich das Gift mehr und mehr an und erreicht in den großen Riffjägern die höchsten Konzentrationen. Die betroffenen Raubfische sind nur schwerlich von ihren ungiftigen Artgenossen zu unterscheiden und die Zahl der belasteten Fischarten entsprechend groß. Die Fische selbst sind gegen das starke Nervengift unempfindlich.

Zu Beginn der Vergiftung stehen Übelkeit, Erbrechen, Unterleibsschmerzen und Durchfälle im Mittelpunkt. Diese Symptome weichen nach wenigen Tagen zunehmend neurologischen Krankheitserscheinungen und vielfältigen Schmerzsymptomen, die zum Teil über Monate bis Jahre vorhalten können. Eine spezifische Therapie gibt es nicht.

Nun hat eine Gruppe von Wissenschaftlern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) zusammen mit Kollegen von der Australischen University of Queensland in Brisbane herausgefunden, welcher Mechanismus diese Überempfindlichkeit in Gang setzt.

Angriffspunkt für das Toxin sind Natriumkanäle auf den schmerzsensiblen Nervenendigungen in der Haut. Das Fischtoxin aktiviert diese Kanäle irreversibel. Das Forscherteam entdeckte nun, dass durch die Aktivierung der Natriumkanäle gleichzeitig ein bereits bekannter Kältesensor, TRPA1, stark sensibilisiert wird.

Unter normalen Umständen wird dieser Sensor erst durch Abkühlen unter 10°C geöffnet, aktiviert dann die Natriumkanäle, und diese warnen den Körper vor unmittelbar drohender kälteinduzierter Gewebeschädigung. Wird der Rezeptor nun aber durch die Überaktivität der Natriumkanäle sensibilisiert, vermittelt er die Empfindung des Kältebrennschmerzes schon bei normalerweise als angenehm empfundenen kühlen Temperaturen.

Literatur: Voets, T.: The EMBO Journal 2012, Online-Vorabpublikation: doi:10.1038/emboj.2012.255


Dr. Bettina Hellwig