Ermittlungsverfahren gegen Gynäkologen

Verteidiger: keine Einstellung gegen Geldleistung

Berlin - 04.12.2012, 11:57 Uhr


Seit einigen Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Wuppertal gegen rund 600 Gynäkologen, die in Deutschland nicht zugelassenes Depocon® an Patientinnen abgegeben und damit gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen haben sollen. Ein Verteidiger fordert nun die Einstellung mangels Beweisen: Das im Raum stehende Geschehen sei nicht strafbar, erklärt er gegenüber DAZ.online. Die Staatsanwaltschaft prüft den Antrag.

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal, die das Ermittlungsverfahren führt, hatte den betroffenen Ärzten angeboten, das Verfahren gegen Geldleistung einzustellen (§ 153a StPO). In einer rechtlichen Stellungnahme erklärt der Nürnberger Anwalt nun, die Staatsanwaltschaft vertrete eine falsche Rechtsauffassung. Zutreffend sei, dass die vom Pharmahersteller Sigma gelieferten Arzneimittel im Zweifel zum Selbstkostenpreis an die Patientinnen weitergegeben worden seien. Gerade das belege jedoch, dass sich die Ärztinnen und Ärzte „steuerrechtlich korrekt verhielten und verhalten wollten“. Daher könne man ihnen wohl kaum pauschal vorwerfen, sich „in den rechtlich auch für Juristen nur schwer zugänglichen Feinheiten des AMG nicht auszukennen“.

Entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft sei die Anwendung der Kontrazeptiva bei den Patientinnen jedoch nicht strafbar. Nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer mit Arzneimitteln, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, Handel treibt oder diese Arzneimittel abgibt. Ein solches „Handeltreiben“ liegt aus Sicht des Anwalts jedoch nicht vor, denn „die Verabreichung apothekenpflichtiger Arzneimittel in Arztpraxen fällt niemals unter die Apothekenpflicht“, erklärt er. Vielmehr handle es sich vorliegend um ein zulässiges Vorrätighalten von Arzneimitteln für die unmittelbare Anwendung – und diese fielen schon nicht unter die Apothekenpflicht.

Selbst wenn man vorliegend davon ausgehen würde, ein Handeltreiben könne prinzipiell auch dann vorliegen, wenn ein Arzneimittel durch einen Arzt appliziert werde, fehle es vorliegend am erzielten Gewinn, heißt es in der Stellungnahme weiter. Denn die Kontrazeptiva seien zum Selbstkostenpreis weitergegeben worden. Den von der Staatsanwaltschaft aufgeworfenen Gedanken, wonach in bestimmten Konstellationen auch ohne erzielten Gewinn ein Handeltreiben angenommen werden soll, lehnt der Verteidiger ebenfalls ab: Es sei eine „lebensferne Unterstellung, zu behaupten, eine Patientin bevorzuge einen bestimmen Frauenarzt oder eine bestimmte Frauenärztin deshalb, weil dort Kontrazeptiva günstiger zu erwerben seien, als in einer Apotheke“.

Bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal sieht man dies bekanntlich anders: Wie Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert gegenüber DAZ.online erklärt, werde die Stellungnahme des Anwalts vom zuständigen Richter derzeit geprüft. „Bislang sieht er allerdings nicht, dass seine Rechtsauffassung falsch ist“, so Baumert. In der Zwischenzeit hätten sich weitere Ärzte Anwälte genommen. Die Zahl derer, die die Verfahrenseinstellung gegen Geldleistung akzeptierten, steige jedoch stetig. Somit bleibt abzuwarten, ob es letztlich doch zu einem gerichtlichen Strafverfahren kommen wird.


Juliane Ziegler