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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Aufbruchstimmung! Drei neue Könige, nein, zwei neue und ein alter ziehen in die Berliner Herberge ein. Und der Oberkönig bringt neue Ideen mit (hoffentlich keinen Weihrauch). Wie schön, mein liebes Tagebuch. Sollten wir endlich doch nach langen internen Filzereien, nach Wir-da-oben-ihr-da-unten-Gehabe, nach feudalen ABDA-Fürsten-Spielchen in einer offenen Zeit der transparenten Sachdiskussion angekommen sein? Ein zartes Pflänzchen keimt: Der neue ABDA-Präsident Friedemann Schmidt diskutiert mit – in Foren und bald auch schon live an einem „Runden Tisch“. Freuen wir uns, liebes Tagebuch, vielleicht wird die ABDA doch noch eine zeitgemäße Berufsvertretung, ohne Altherrengehabe!
2. Januar 2013
Die Ärzte – nicht die Apotheker – im Visier von Politik und Krankenkassen: Wo verläuft die Grenze zwischen Kooperation und Korruption von Ärzten und Pharmaindustrie? Auch wenn laut Entscheidung des Bundesgerichtshofs Bestechung und Bestechlichkeit niedergelassener Ärzte nicht unter den aktuellen Straftatbestand subsumiert werden können, bleibt doch einiges im Graubereich. Union und Krankenkassen wollen jetzt Klarheit, klare Strafnormen: was ist erlaubte Kooperation und wo beginnt Korruption, harte Bestechlichkeit? Dem CDU-Gesundheitspolitiker Spahn ist zuzustimmen: Indirekte oder direkte Zahlungen oder Geschenke von Laboren und Pharmaindustrie an Ärzte darf es in einem Land wie Deutschland nicht mehr geben. Die Kaffeemaschine für die Praxis, der Flachbildfernseher fürs Ärztezuhause als Dankeschön für bevorzugte Verordnungen und der Scheck für das Ausfüllen von „Anwendungsbeobachtungen“ – solche Zeiten müssen endlich vorbei sein.
Schau, schau, liebes Tagebuch, Schaufenster von Apotheken im Test von Stiftung Warentest. Da schau her. Gefunden haben sie fast nichts, die Tester, jedenfalls kaum juristische Verstöße. Kritisiert wurde eher, dass Apotheker Medikamente ohne Nutzen oder mit zweifelhaftem medizinischen Nutzen bewerben. Da wurde zum Beispiel – horribile dictu – für Lavendelöl gegen „ängstliche Unruhe“ geworben. Oder für Vitamin- und Mineralstoffpräparate bei Schulkindern. „Marktschreierisch“ nennen unsere Obertester der Nation so etwas. Na, so was. Es sei besonders bedenklich, wenn dadurch z. B. Kinder zu künftigen Kunden herangezogen werden. Mal ehrlich, liebes Tagebuch, ich glaube diese Gefahr besteht so wirklich nicht. Es gibt wohl keine langweiligeren Schaufenster für Kinder als Schaufenster von Apotheken und Banken. Und was das bisschen Werbung für Vitamine und Co. betrifft: Ich habe es lieber, wenn diese Präparate in der Apotheke verkauft werden mit der Chance zur Beratung, als wenn sie in Dromärkte und Discounter abwandern würden. Liebe Stiftung Warentest, wir wär‘s denn wieder mal mit ein paar echten Tests, z. B. von Arztpraxen und ärztlichen Verordnungen, von Krankenhäusern und ihren hygienischen Bedingungen – oder ein Test der Qualität der Bearbeitung von Einkommensteuererklärungen durch die Finanzämter!
Das war doch schon mal ein bemerkenswerter Auftakt: Während sich unser alter ABDA-Präsident bis heute noch nicht von seiner Gemeinde verabschiedet hat, meldet sich der neue Präsident gleich am ersten Arbeits- und Einsatztag bei der ABDA mit einem Statement zu Wort: „„Die derzeitige Lage ist für viele Apotheken äußerst schwierig. Ich bin aber optimistisch, dass wir die Probleme lösen können, wenn wir als Berufsstand zusammenstehen", so die ersten inhaltsschwangeren Worte Friedemanns Schmidt. Aber er wurde noch konkreter: „Die gegenwärtige packungsbezogene Apothekenvergütung soll um leistungsbezogene Elemente ergänzt werden, damit wollen wir die Existenz von Apotheken in strukturschwachen Regionen sichern.“ Na, liebes Tagebuch, wie findest Du das? Das sind doch schon mal klare Ansagen, zumindest ein vielversprechender Ansatz. So darf‘s weiter gehen. Und es geht weiter, siehe am 4. Januar.
Oh je, das schwarz-gelbe Chaos: Während die nun abgeschaffte Praxisgebühr gelobt wird, beschwört man die steuernde Wirkung von Zuzahlungen bei Arzneimitteln. Während die Praxisgebühr keine steuernde Wirkung gehabt haben soll, sei diese Wirkung bei Zuzahlungen sogar effizient. Der Beweis: Generika und von der Zuzahlung befreite Festbetragsarzneimittel seien verstärkt nachgefragt worden. – Und ich hab gedacht, der Arzt schreibt auf, was er für richtig hält. Oder diktiert jetzt schon der Patient das Präparat dem Arzt in die Feder? Na ja, liebes Tagebuch, irgendwie kann man sich alles schön reden wie man es braucht. Und die Schwarz-gelb-Füßler sind da Meister drin. Die zwei Milliarden Euro, die die Praxisgebühr brachte, wird schon bald fehlen – vermutlich der neuen andersfarbigen Regierung.
3. Januar 2013
Ärzte, ach ja, die Ärzte. Gehen sie nun aufs Land oder gehen sie nicht? Spielen sie nun den netten smarten hemdsärmeligen Landarzt, der die Herzen der Landbevölkerung im Sturm erobert, oder bleiben sie doch lieber in ihrer Mattglas-Stahl-Wengeholz-gestylten Stadtpraxis sitzen? Die Ärztefunktionäre sind überzeugt, dass die zu Beginn des Jahres in Kraft getretene Richtlinie zur Bedarfsplanung von Ärzten und Psychotherapeuten die ambulante medizinische Versorgung auf dem Land verbessert. Krankenkassen und Verbraucherverbände zeigen dagegen eher Skepsis. Denn nach wie vor gibt es z. B. noch keine Vorgaben zur Ärzteverteilung in Großstädten: die Ärzte machen dort ihre Praxis auf, wo die wohlhabenden Silver-Ager sitzen und nicht die Hartzer. Auch bei den Ärzten gibt es so was wie Besitzstandswahrung und finanzielles Kalkül. Andererseits, man sollte mal ein Jahr abwarten – vielleicht lockt doch die Landluft? Und wenn‘s nicht funktioniert, die Sache mit der Bedarfsplanung, dann könnte den CDU/CSU-Politikern doch der übers Land rollende Arztbus einfallen, wie ein DAZ.online-Diskutant dazu anmerkte. Die Arztpraxis im Bus fährt jedenfalls leichter als die Apotheke im Bus, denn Ärzte haben keine Arztpraxis-Betriebsordnung – der Zugang zur Arztpraxis muss nicht barrierefrei sein.
Ärztelogik ist eine besondere Logik. Beispiel „Organspende-Unregelmäßigkeiten“. Nach den letztjährigen Skandalen sind nun schon wieder „ Manipulationen“ am Uniklinikum Leipzig bekannt geworden. Das sei zwar ein bisschen „erschreckend“, so der Bundesärztekammerpräsident Montgomery, aber: Die aufgedeckten Fälle seien der Beleg für die Wirksamkeit der Kontrollen der Selbstverwaltung. Na, wunderbar. Dann ist ja alles in Butter. Andererseits: Die Überprüfungen laufen noch. Bei dem bisher überprüften knappen Viertel der 47 Transplantationszentren habe man bei drei Zentren „erhebliche Auffälligkeiten“ entdeckt. Und weitere Fälle sind derzeit nicht auszuschließen, räumt Montgomery ein. Hhhmmm, ich hab‘ mir schon mal überlegt, wer wohl eher eine neue Niere bekommen würde, wenn sie denn eine bräuchten: der Chef der Europäischen Zentralbank oder Oma Krabowski von nebenan. Was meinst Du, liebes Tagebuch, das Wort „Organspende“ klingt irgendwie so gar nicht nach Vertrauen. Schade, sehr schade, wie hier lebensnotwendiges Vertrauen verspielt wurde.
1392 neue Generika-Angebote auf dem deutschen Arzneimittelmarkt: Jubel über Jubel. Gute Nachrichten für unser Gesundheitssystem, tönt der Generikaverband und streicht deutlich kostengünstigere Therapieoptionen heraus. Schaut man genauer hin, verbergen sich hinter den 1392 Angeboten nur 13 Einzelwirkstoffe. Augenrollen beim Apotheker: Die Generikaflut, das Handling, die Beschaffungsschwierigkeiten und das Rabattarzneimitteldesaster wird noch größer. Und wo werden die vielen feinen neuen Generika produziert? Na klar, in Indien. Oder in China. Oder in? Hauptsache noch ein Generikum und noch billiger. Schöne neue Generika-Welt.
4. Januar 2013
Friedemann Schmidts Basisarbeit wird konkret! Liebes Tagebuch, jetzt geht‘s voran. Zumindest gehen wir und einige Basis- und ABDA-kritische Apotheker mal davon aus. Er diskutiert in Online-Foren mit und stellt sich der Kritik. Super, das war noch nie da. Zieht da tatsächlich ein offener Kommunikationsstil bei der ABDA ein? Na, ja, liebes Tagebuch, das ist ja auch bitter nötig. Nachdem unsere Berufsvertretung so viel Vertrauen Ende letzten Jahres verspielt hat (wir erwarten noch Aufklärung!), tut Änderung not. Also, am 27. Januar setzt sich Schmidt mit einem „Querschnitt von Apotheker/innen unterschiedlicher Altersgruppen, Regionen und Aktivitäten in den verschiedenen Protestgruppen“ an den „Runden Tisch“. Thema: Zukunft Apotheke. Es geht also eher um inhaltliche Fragen zum Apothekerberuf und zu seiner Zukunft und weniger oder nicht um ABDA- oder ABDAoide Strukturen. Also, dann warten wir mit Spannung auf den Runden Tisch, der danach dann hoffentlich nicht nur aus Ecken und Kanten bestehen wird. Denn die bringen die Diskutanten sicher mit.
Zukunft Apotheke – das Thema drängt sich geradezu auf. Es ist wichtiger denn je. Wenn wir Apothekerinnen und Apotheker endlich mal wieder wissen, wo‘s denn lang geht mit unserer Profession, wenn wir gemeinsam an dem einen berühmten Strang ziehen und dann noch in die gleiche Richtung, dann könnte dies unsere Berufsfreude zurückbringen, das Ansehen des Apothekers in der Politik stärken und den Zusammenhalt fördern. Liebes Tagebuch, vielleicht kommt es, das Weißbuch der deutschen Apothekerinnen und Apotheker.
06.01.2013, 08:00 Uhr