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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Das kann man doch nur als gutes Zeichen werten: „ABDA geht in Klausur“, heißt die Schlagzeile der Woche. Unser neuer ABDA-Präsident hat dem Gesamtvorstand in der zweiten Februarhälfte eine Klausur verordnet, auf der Tagesordnung steht die Zukunft der ABDA. Und in seiner Neujahrsbotschaft ans Volk hat er bereits angedeutet, worum’s geht: patientenorientiertes Leitbild und auskömmliche Vergütung. Und das Schönste: „Gemeinsam … wollen wir für ausreichenden Nachwuchs sorgen“, lesen wir da. Na denn, liebes Tagebuch, wenn Apothekers in Klausur gehen, geht’s immer hoch her. Wie sehen dann wohl die Ergebnisse sagen wir mal in neun Monaten aus?
7. Januar 2013
Weit mehr Schließungen als Neueröffnungen: Westfalen-Lippe meldet 74 Apothekenschließungen im vergangenen Jahr und nur 16 Neueröffnungen. Mit nun 2126 Apotheken, davon 415 Filialen, hat dieser Kammerbezirk die niedrigste Zahl an Apotheken seit 1983 erreicht. Und die Prognose für 2013: die Zahl der Apotheken geht weiter zurück.
„Gute“ Vorsätze der Pharmaindustrie: ein Transparenz-Kodex. Patienten sollen ab 2016 erfahren, mit welchen Pharma-Unternehmen ihre behandelnden Ärzte in welchem Umfang kooperieren. Die beschenkten Ärzte müssen allerdings vorher zustimmen. Liebes Tagebuch, das klingt ja wirklich super-transparent, gell? Und die Ärzte werden da sicher gerne offenbaren, wie viel Geld und Geschenke sie bekommen haben. Und dann schon ab 2016 – ein toller Vorsatz! Mon dieu, man hält die Transparenz kaum aus.
8. Januar 2013
Statt holländischen Käse jetzt Schweizer Käse – dm-Märkte werben nach der Trennung von der niederländischen Europa-Apotheek nun für ihre Pick-up-Kooperation mit der Schweizerischen Zur Rose. Und gleich richtig: „Zur Rose bringt’s: Ihre neue Apotheke bei dm“ heißt es an den Pick-up-Punkten, die ein Zur-Rose-Paket zeigen, dem fröhlich ein rotes Apotheken-A entspringt. Doch da sieht der Deutsche Apothekerverband rot. Zwar darf die deutsche Zur Rose-Apotheke in Halle als Mitglied des Apothekerverbands Sachsen-Anhalt das „A“ verwenden. Aber aus Sicht des Deutschen Apothekerverbands ist die spezielle Nutzung in Fall dm rechtswidrig. Denn das Apotheken-A darf nicht mit anderen Zeichen, Marken oder Logos zusammengeführt werden. Recht hat er. Eine Unterlassungserklärung für Zur Rose war fällig.
Die vor etwa einem Jahr durch einen Spiegel-Bericht angestoßene Ermittlung der Staatsanwaltschaft gegen die Verrechnungsstelle Süddeutscher Apotheken (VSA) wegen mutmaßlicher Verstöße gegen den Datenschutz im Umgang mit Rezeptdaten wurde – aus formalen Gründen – eingestellt. Gleichwohl hatte das Landesamt für Datenschutzaufsicht festgestellt, dass es unzulässige Übermittlungen personenbezogener Daten bewusst und gegen Entgelt gegeben habe. Aber, so die Staatsanwaltschaft, solches Tun wird nur auf Antrag hin verfolgt. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hatte keinen Strafantrag gestellt.
Aber die VSA kann noch nicht aufatmen, die rechtliche Klärung geht in die nächste Runde: der Erstatter will sich mit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die VSA nicht zufrieden geben, er will ein Klageerzwingungsverfahren einleiten. Was daraus wird – in einem halben Jahr wissen wir mehr.
9. Januar 2013
Man glaubt, man sitzt im Irrenhaus, liebes Tagebuch. Die Abrechnung von Rezepten mit den Krankenkassen wird immer komplexer und schwieriger. Jetzt gibt es Zoff bei der Abrechnung von Arzneimitteln, die das Verfahren der Nutzenbewertung durchlaufen haben und bei denen die Hersteller den Krankenkassen einen Rabatt auf den Listenpreis gewähren müssen, was zum Erstattungsbetrag führt. Der Gesetzestext: „Der Erstattungsbetrag wird als Rabatt auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens vereinbart. Der pharmazeutische Unternehmer gewährt den Rabatt bei der Abgabe des Arzneimittels. Der Großhandel gewährt den Rabatt bei Abgabe an die Apotheken. Die Apotheken gewähren den Krankenkassen den Rabatt bei Abrechnung.“ Was allerdings nicht im Gesetz steht: Wird der Listenpreis oder der niedrigere Erstattungspreis als Grundlage für die Berechnung des Apothekenhonorars herangezogen? Warum überhaupt ein Listen- und ein Erstattungsbetrag? Weil die Hersteller ein Interesse daran haben, dass ein offizieller Listenpreis ausgeworfen wird, der quasi nach außen, z. B. anderen Ländern signalisiert, wie teuer das gute Arzneimittel eigentlich ist. (Andere Länder nehmen die deutschen hohen Preise oft als Referenzpreis.)
Während Industrie, Großhandel, Apotheker noch vor kurzem davon ausgehen durften, dass selbstverständlich dieser Listenpreis als Grundlage für die Berechnung von Mehrwertsteuer und Handelsaufschlägen wie dem Apothekenhonorar (3 Prozent-Aufschlag) herangezogen wird und bei der Abgabe einfach dieser Listenpreis aufs Rezept gedruckt wird, sehen dies die Krankenkassen und mittlerweile auch das Bundesgesundheitsministerium anders. Hier geht man davon aus, dass der niedrigere Erstattungsbetrag der maßgebliche Preis bei der Berechnung der Handelszuschläge und Basis für die Mehrwertsteuer ist. Die Industrie dagegen ging immer davon aus, dass der Listenpreis Grundlage für weitere Zuschläge ist, denn im Gesetz heißt es: Der Erstattungsbetrag wird als Rabatt auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers vereinbart. Ja, Rabatt steht da! Liebes Tagebuch, da dürfte doch die Auffassung von Industrie, Großhandel und Apothekerverband richtig sein. Verstehen die Krankenkassen plötzlich nicht mehr die Bedeutung des Wortes „Rabatt“? Hallo? Bei den Rabattarzneimitteln wird ja auch der Listenpreis aufs Rezept gedruckt und nicht der Preis abzüglich Rabatt. Wieso soll das bei den Arzneimitteln, für die ein Erstattungsbetrag ausgehandelt wurde, anders sein? Liebes Tagebuch, das ist ein Geschachere, schlimmer als im Orient. Vielleicht sollte man das Ganze gerichtlich klären lassen.
10. Januar 2013
Also, liebes Tagebuch, wir halten fest: Krankenkassen haben zu viel Macht. Und darüber hinaus sind sie anscheinend auch noch lernresistent. Beispiel Grippeimpfstoff-Ausschreibungen. Im Kammerbereich Westfalen sind sich Apothekerkammer, -verband und die Kassenärztliche Vereinigung einig, dass es so ein Aussschreibungschaos bei Impfstoffen und die daraus folgende Nichtlieferbarkeit der Hersteller, wie wir sie Ende letzten Jahres erlebten, nicht mehr geben darf. Und trotzdem: Die Krankenkassen setzen für die nächste Saison wieder auf Ausschreibungen. Unglaublich! Selbst die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Steffens unterstützt den Appell von Ärzten und Apothekern. Dürfen Krankenkassen in Deutschland eigentlich schalten und walten, wie es ihnen beliebt? Man hat den Eindruck.
Noch immer wissen wir nicht, liebes Tagebuch, wie die zugesagten 120 Millionen für die Nacht- und Notdienstpauschale ausgezahlt werden. Immerhin, auf dem Neujahrsempfang des Apothekerverbands Köln hat sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Willi Zylajew dafür stark gemacht: „Die 120 Millionen sind vereinbart und werden geliefert.“ (Die Sache mit dem „Liefern“ hatten wir doch schon mal... kam dieses Bonmot nicht von Rösler? Und wie ist das „Liefern“ ausgegangen?) Nächste Woche soll das Thema in Berlin angegangen werden. Na, da kann man ja nur gespannt sein. Hat eigentlich die ABDA schon einen Vorschlag in der Schublade, wie sie sich die Umsetzung vorstellen könnte?
Derweil hat eine bayerische Apothekerin der Kammer bereits ihre eigenen Vorstellungen kundgetan, wie sie die Auszahlung schon mal umgesetzt wissen will: Sie teilte der Kammer mit, dass sie die Vergütung für den Notdienst ihrer Apotheker zwischen 1200 und 2400 Euro pro Quartal ansetzt. Und deshalb bittet sie die Kammer, „den ausstehenden Kammerbeitrag mit dieser Vergütung zu verrechnen und den verbleibenden Betrag auf das bekannte Konto zu überweisen“. Ja mei, schaun mer mal, dann seh’n mer scho.
Nun ist endgültig Schluss mit „Vorteil24“, dem Pick-up-Konzept, das die Gebrüder Winterfeld der Montanus-Apotheke in der Eifel erfunden und dem sich mehrere Linda-Apotheken angeschlossen hatten. Die muntere Bayerische Landesapothekerkammer hatte gleich mit mehreren Verfahren dagegen geklagt – und Recht bekommen. Zwei Apotheken hörten sofort mit Vorteil24 auf, die anderen wollten zunächst nicht und ließen es auf die Verfahren angekommen. Jetzt auch sie nach, es ergingen Einstellungsbeschlüsse mit einer Geldauflage von je 2500 Euro. Der Spuk ist vorbei.
11. Januar 2013
Eigentlich müssten Apotheker „Die Linke“ wählen. Eigentlich. Wie Aussagen dieser dunkelroten Partei im Vorfeld der Landtagswahlen in Niedersachsen zeigen, setzt sich diese Partei großspurig für die beruflichen Apothekerinteressen in. Die Sirenengesänge: Das apothekerliche Honorar ist unzureichend. Die Vergütung für Not- und Nachtdienst muss verbessert werden. Die Kompetenz der „Fachleute für Pharmakologie“ wird derzeit nicht ausgeschöpft. Ein Rx-Versandhandelsverbot muss her. Pick-up-Stellen müssen weg. Bravo, besser geht’s fast nicht. Wenn, ja, wenn da nicht das restliche links-ideologische Gedankengut wäre. Ich weiß nicht, liebes Tagebuch, ob wir Apotheker in einem Gysi-Lafontaine-Wagenknecht-Land glücklich würden.
Und das Beste nochmal zum Schluss: die ABDA geht in Klausur. Ein dreitägiges Treffen vom 19. bis 21. Februar ist angesagt – also wohlgemerkt nach Karneval! Auf dem Programm stehen: Beratung der strategischen Ziele und Arbeitsschwerpunkte der ABDA in den nächsten Jahren – und die Zukunft der ABDA. Danke, Herr Schmidt.
13.01.2013, 08:00 Uhr