Bundesverfassungsgericht

OTC-Erstattungsausschluss verfassungsgemäß

Karlsruhe - 16.01.2013, 11:34 Uhr


Das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen: Der gesetzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem GKV-Leistungskatalog ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Belastung der Versicherten mit Zusatzkosten stehe in angemessenem Verhältnis zu dem unter anderem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel, die Kosten im Gesundheitswesen zu dämmen.

Die Verfassungsbeschwerde hatte ein gesetzlich krankenversicherter Mann eingelegt, der an einer chronischen Atemwegserkrankung leidet. 28,80 Euro kostet ihn die Behandlung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln monatlich. Eine Klage gegen seine Krankenkasse, die die beantragte Kostenübernahme ablehnte, blieb in allen Instanzen erfolglos. Auch das Bundesverfassungsgericht nahm nun seine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Heute veröffentlichte das Gericht seinen bereits am 12. Dezember 2012 ergangenen Beschluss.

Die Karlsruher Richter konnten keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz erkennen. Chronisch Kranken werde nicht – wie vom Beschwerdeführer gerügt – ein Sonderopfer zugunsten der Allgemeinheit, hier der GKV, auferlegt. Die gesetzlichen Krankenkassen seien nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Zumutbare Eigenleistungen könnten durchaus verlangt werden.

Der Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Die Ungleichbehandlung zwischen verschreibungspflichtigen und rezeptfreien Medikamenten hält das Gericht jedoch für gerechtfertigt. In welche Kategorie ein Arzneimittel fällt, entscheide sich in erster Linie am Maßstab der Arzneimittelsicherheit. Verschreibungspflichtige Arzneimittel seien stark wirksame Arzneimittel, von denen eine Gesundheitsgefährdung ausgehe, wenn sie ohne ärztliche Überwachung eingenommen werden. Von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gehe diese Gefährdung hingegen nicht aus – für sie gibt es auch keine festen Preisvorgaben. Der Gesetzgeber bediene sich somit eines Kriteriums, das primär die Funktion habe, die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, auch mit dem Ziel, die finanzielle Inanspruchnahme der GKV zu steuern. Insofern sei das Kriterium zwar nicht zielgenau – es sei aber auch nicht sachwidrig, sondern zur Dämmung der Kosten im Gesundheitswesen erforderlich und geeignet.

Auch im engeren Sinne sei die Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Arzneimitteln verhältnismäßig. Die Belastung mit den Zusatzkosten für OTC-Arzneimittel stehe in einem angemessenen Verhältnis zu den vom Gesetzgeber mit dieser Differenzierung verfolgten Zielen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die vom Beschwerdeführer konkret geltend gemachte finanzielle Belastung unzumutbar wäre. Zudem habe der Gesetzgeber Regelungen getroffen, um die Belastung chronisch Kranker in Grenzen zu halten.

Die gesetzgeberische Unterscheidung zwischen schwerwiegenden und anderen Erkrankungen sei verfassungsrechtlich ebenfalls zu rechtfertigen. Bei schwerwiegenden Erkrankungen, bei denen das Medikament zum Therapiestandard gehört, können auch OTC zulasten der GKV verordnet werden. Die Schwere der Erkrankung sei im Rahmen eines Krankenversicherungssystems ein naheliegendes Sachkriterium, um innerhalb des Leistungskatalogs zu differenzieren.

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 2012, Az. 1 BvR 69/09


Kirsten Sucker-Sket