Interview zum Beschluss des Finanzgerichts Dessau

Treuhand: Datenmasse birgt Konfliktpotenzial

Berlin - 25.02.2013, 11:00 Uhr


Die Diskussion um die Grenzen des Datenzugriffsrechts durch die Finanzverwaltung dauert schon lange an. Im Januar entschied das Finanzgericht Sachsen-Anhalt in einem Eilverfahren, dass der Finanzverwaltung im Rahmen einer Betriebsprüfung Datenzugriff in die Kassenauftragszeile des Warenwirtschaftssystems des Apothekers zu gewähren ist. DAZ.online sprach mit Steuerberaterin Peggy Eichhorn von der Treuhand Hannover über die Entscheidung und ihre Bedeutung für Apotheker.

DAZ.online: Was ändert sich durch die Entscheidung des Finanzgerichts für Apotheker?

Treuhand: Für die Apotheker ändert sich durch die Entscheidung im Grunde nichts. Die Finanzverwaltung wird sich in ihrer Rechtsposition bestätigt sehen, dass sie die Kasseneinzeldaten anfordern darf. Folgt der Apotheker dieser Aufforderung nicht, droht unter anderem ein Verzögerungsgeld von mindestens 2.500 Euro. Will der Apotheker die Kassendaten dem Betriebsprüfer nicht offenlegen, muss er sich gegen diese Anforderung durch einen Einspruch und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wehren. Anders sieht die Lage aber aus, wenn die Kassendaten dem Apotheker überhaupt nicht zur Verfügung stehen und damit auch nicht an den Betriebsprüfer herausgegeben werden könne.

DAZ.online: Was geschieht dann?

Treuhand: Die Betriebsprüfer wollen in diesen Fällen häufig die Buchführung verwerfen und steuerliche Hinzuschätzungen vornehmen. Die Entscheidung der Richter aus Sachsen-Anhalt beinhaltet dazu eine interessante Bemerkung: „Sollte eine Einzelaufzeichnung nicht zumutbar und auch nicht erfolgt sein, dürfte insoweit eine Schätzungsbefugnis fehlen“, so die Richter. Das Fehlen der Kasseneinzeldaten kann die Finanzverwaltung also nicht automatisch dazu verwenden, steuerliche Hinzuschätzungen vorzunehmen.

DAZ.online: Warum wehren sich die Steuerberater gegen den Zugriff auf die Kassenauftragszeile?

Treuhand: Die Finanzverwaltung gehört zur sogenannten Eingriffsverwaltung. Jeder Eingriff in die Rechte eines Bürgers bedarf der gesetzlichen Legitimation. Ist die Rechtmäßigkeit eines Eingriffs nicht geklärt, sollte sich ein mündiger Bürger fragen, ob er den Eingriff hinnehmen will oder nicht. Bürger wehren sich auch gegen Bußgelder der Polizei, z.B. bei Zweifeln einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Steuerberater sehen sich als Interessenvertreter ihrer Mandanten und helfen ihnen, ihre Rechte wahrzunehmen. Der Steuerberater sollte daher seinen Mandanten zunächst über seine Rechte und die Rechtslage aufklären und dann entsprechend den Interessen des Mandanten handeln.

DAZ.online: Und worauf kommt es bei der Betriebsprüfung einer Apotheke an?

Treuhand: In die Überlegungen ist einzubeziehen, dass die strittige Einzelkassenzeile eine Fülle weiterer Informationen enthält, die dem Betriebsprüfer zusätzliche Möglichkeiten der Abstimmung liefert. Auf Grund der Komplexität und Vielfältigkeit der praktischen Abläufe in Apotheken ergeben sich hieraus oft Fragestellungen zu Einzeldaten, die dem Betriebsprüfer nicht plausibel erscheinen und dann als Argument für steuerliche Hinzuschätzungen verwendet werden.

DAZ.online: Welche Folgen hätte es, sollte sich der Bundesfinanzhof am Ende dem Beschluss des Finanzgerichts anschließen – gäbe es dann den „gläsernen Apotheker“?

Treuhand: Das Rechnungswesen der Apotheke wird bis zum einzelnen Umsatz prüfbar – nicht der Apotheker. Für uns stellt sich eher das Problem, dass mit der wachsenden Datenmasse auch das Verständnis der Prüfer für die pharmazeutischen Abläufe in der Apotheke wachsen müsste. Dies ist in der Praxis noch nicht immer zu beobachten, so dass sich hier Konfliktpotenzial ergeben kann.

DAZ.online: Vielen Dank für das Gespräch!

Lesen Sie mehr zum Thema auch im Interview mit Steuerfachanwalt Dr. Bernhard Bellinger (AZ Nr. 9/2013, S. 3).


Juliane Ziegler