Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

26.05.2013, 08:00 Uhr


Heute morgen verzichten wir aufs Gläschen Sekt zum Frühstück. Den Kaffee nehmen wir schwarz, bitter und nur mit einem Croissant. Zu feiern gibt es nichts. Der Kompromiss zum Kassenabschlag – jeder Abschlag ist ein Schlag – ist kein Jubelauslöser. Das haben Kompromisse so an sich. Aber, mein liebes Tagebuch, wie heißt es schön: Es hätte schlimmer kommen können, im Ernst! Immerhin, auch die Kassen mussten Federn lassen. Außerdem in der letzten Woche: Selbst für Mitglieder des ABDA-Gesamtvorstands ist der Original-ElPato-Untersuchungsbericht nicht einsehbar; die ABDA will mehr Geld; wieder ein Urteil gegen Boni und Rezeptprämien; die FDP geht auf Schmusekurs; die Matrix hat im Kampf gegen Arzneimittelfälschungen alles im Griff und Pfizer macht’s sich selbst. Passt scho, oder?

21. Mai 2013

Haben die Berufsgerichte in Deutschland jetzt schon jedem Apotheker klar gemacht, dass wie auch immer geartete Prämien auf Rx-Arzneimittel nicht möglich sind? Nein, ein bayerischer easy-Apotheker fehlte noch. Spätestens seit zwei Wochen weiß auch er gegen eine bescheidene Zahlung von 5000 Euro – nennen wir es nicht Geldbuße, sondern – Informations- und Aufklärungsgebühr, dass Rx-Boni berufsrechtswidrig sind. Ein Einkaufsgutschein in Höhe von 1 Euro pro verschriebenem Arzneimittel ist mit den Heilberufsgerichten quer durch Deutschland nicht zu machen. Basta. Sollten in Deutschland noch weitere Prämienmodelle nach dem Muster 1 Euro pro Rx laufen – dann sicher nicht mehr lange.

22. Mai 2013

Wenn morgen Bundestagswahl wäre, würde der FDP ein Prozentpunkt fehlen, um ins Parlament zu kommen. Ja, liebes Tagebuch, diese Angst, draußen bleiben zu müssen, mobilisiert schon mal Kräfte. Die FDP versucht’s sogar mit einem Schmusekurs bei den Apothekern: Im vorläufigen FDP-Wahlprogramm unter der ein Wir-Gefühl-auslösenden  Überschrift „Bürgerprogramm 2013 – damit Deutschland stark bleibt“ halten die Freien Demokraten den gebeutelten Apothekern die Stange. Im Kapitel 4 des Wahlprogramms heißt es da: „Wir wollen den Erhalt eines wohnortnahen Apothekennetzes sichern. Für eine qualifizierte Arzneimittelberatung brauchen die Apotheken weiterhin eine leistungsgerechte Vergütung, attraktive Arbeitsbedingungen und einen weiteren Abbau bürokratischer Regulierungen.“ Können wir noch mehr wollen? Ach, liebes Tagebuch, sie sind nicht süß, die Liberalen? Aber leider hält das meist nur bis zu dem Tag, an dem geliefert werden soll.

23. Mai 2013

Nein, wirklich, mein liebes Tagebuch, es hätte noch schlimmer kommen können: Beim Kompromiss zum Kassenabschlag, den der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband (DAV) unter Vermittlung von Rainer Hess ausgehandelt haben, mussten beide Seiten Federn lassen. Eigentlich forderte der DAV mal einen Abschlag deutlich unter 1,75 Euro, so um die 1,30 Euro waren vor langer Zeit mal im Spiel. Und die GKV hätten gerne deutlich über 1,75  eingestrichen, Wunschziel war 2,30 Euro Abschlag. Somit liegt der nun erreichte Kompromiss von 1,80 ab 2014 punktgenau in der Mitte. Umgesetzt werden solle er in einem Stufenmodell. Zur Wiederholung: ab 1. Juli 2013 1,85 Euro, ab 2014 dann 1,80 Euro und ab 2015 schließlich 1,77 Euro. Außerdem: Die Kassen akzeptieren das erste Halbjahr 2013 mit 1,75 Euro Abschlag, fürs zweite Halbjahr 2013 werden dafür 1,85 Euro verlangt, so dass die Apotheken unterm Strich für 2013 dann 1,80 Euro Abschlag berappt haben. Ja, und quasi als Zugabe zum Kompromiss wird reiner Tisch gemacht mit den Altlasten aus 2009 und 2010: beide Seiten ziehe ihre Klagen zum Apothekenabschlag für diese Jahre zurück. Für die Apotheken bedeutet das: Falls sie vorsorglich Rückstellungen für etwaige Nachzahlungen gebildet haben, können sie diese dann auflösen.

Wie man diesen Kompromiss wertet, das muss jeder für sich ausmachen. Natürlich kann man diejenigen verstehen, die mehr erwartet haben. Allerdings: auch die Krankenkassen wollten deutlich mehr. Wenn man bedenkt, dass die Kassen Anfang des Jahres 1,90 unter Androhung von gerichtlichen Schritten gefordert hatten …

Aber, mal unter uns, liebes Tagebuch: ob für die Apotheker wirklich mehr drin gewesen wäre, ist fraglich. Wer die politische Situation richtig einschätzt, wer sich mal berichten lässt, wie solche Verhandlungen ablaufen, der wird Becker und Co. danken müssen.

Was man noch berücksichtigen sollte: Noch ist der Kompromiss nicht in trockenen Tüchern. Auf beiden Seiten müssen die Gremien noch zustimmen, Termin ist der 20. Juni. Es wäre nicht schön, wenn jetzt eine Kasse zu stänkern begänne.

Was der DAV dann nach diesem Kompromiss tun sollte: den Blick auf 2016 richten. Dann soll 1,77 Euro als Ausgangsbasis für neue Verhandlungen dienen, wenn nicht gesetzlich vorher etwas anderes festgelegt wird. Bis dahin kann man sich vielleicht andere Dinge ausdenken.

Liebes Tagebuch, die Arzneimittelpackungen sind sicher und werden noch sicherer – dank Securpharm. Die Arbeitsgemeinschaft aus Industrieverbänden, Großhandelsverband und ABDA, die sich zur Aufgabe gemacht hat, die europäische Richtlinie gegen Arzneimittelfälschungen in Deutschland umzusetzen, hat Grund zum Jubel: Eine erste Zwischenbilanz der seit Januar laufenden Pilotphase kann nur Gutes berichten. Bisher machen mehr als 280 Apotheken und 24 Pharmaunternehmen bereits mit, 3,5 Millionen Arzneipackungen sind mit dem Data-Matrix-Code gekennzeichnet, der jede Packung nachverfolgbar zum Unikat macht: Dank Matrix also alles im Griff, alles transparent – solange die Internetverbindung mitmacht. Fällt die aus, wird es schwierig werden, einen geordneten Apothekenbetrieb aufrecht zu erhalten. Und es ist schon richtig: das alles ist ein Riesenaufwand, aber jammern hilft nichts. Europa will die Umsetzung der Richtlinie bis 2017. Deutschland hat gute Chancen, das Ziel zu erreichen. Und wenn alles rund läuft, könnte das deutsche Securpharm-System sogar ein Exportschlager für andere Mitgliedstaaten Europas werden, wenn die denn das deutsche System wollen. Fest steht: auch sie müssen die Richtlinie erfüllen. Und soweit wie in Deutschland sind sie noch lange nicht.

Muss ein Apotheker bei einer Steuerprüfung die Kassen-Einzeldaten offenlegen oder nicht – das ist die Frage, die jetzt beim Bundesfinanzhof gelandet ist. Denn auf Landesebene gibt es zwei unterschiedliche Urteile dazu. Das Hessische Finanzgericht lehnte eine Herausgabe dieser Daten ab: für Apotheker gebe es keine Verpflichtung, einzelne Barverkäufe manuell oder auf einem Datenträger aufzuzeichnen. Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt dagegen entschied für die Herausgabe: Die Verkaufseinzeldaten des Warenwirtschaftssystem unterfallen bei einer Überprüfung durch die Finanzbehörden dem Datenzugriff. Auch der Einzelhandel müsse einzelne Kasseneingänge aufzeichnen. Man darf gespannt sein, wie sich  der Bundesfinanzhof dazu stellen wird.

Der ABDA-Gesamtvorstand tagte. Es ging um den ABDA-Haushalt. Ist schon eine interessante Lektüre, dieser Haushalt. Was man da alles so beim Durchblättern finden kann! Zum Beispiel einen Millionenverlust im Geschäftsjahr 2012, weil weniger von den wirtschaftenden Töchtern zufloss. Interessant sind überhaupt die Ergebniszu- und abführungen dieser wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe. Da kommt die Frage auf, warum die Einnahme- und Ausgabenrechnung nicht öffentlich gemacht werden? Warum soll das zahlende Mitglied, der gemeine Apotheker, nicht wissen dürfen, wofür seine Gelder eingesetzt werden, wie damit gewirtschaftet wird? Und da das Geld nicht reicht, sollen die Kammern und Verbände vermutlich bald zur Kasse gebeten werden. Wenn das mal keine Auswirkungen auf die Kammerbeiträge des Apothekers hat …

Neben dem ABDA-Haushalt kamen allerdings auch andere Themen zur Sprache, zum Beispiel der Sonderbericht zu den ABDA-Zahlungen an ElPato. Wer dachte, über die Sache sei schon frisches Maigras gewachsen und mit der Veröffentlichung der Kurzfassung sei es nun mal gut, irrte. Ein Kammerpräsident erdreistete sich doch tatsächlich, einen Antrag zu stellen, den Originalbericht einsehen zu wollen. Also den ausführlichen Untersuchungsbericht, der bisher nur ganz ganz wenigen, die in der ABDA ganz ganz oben sind, bekannt ist und ansonsten strengstens unter Verschluss gehalten wird. Oh weia, die Antragstellung soll, wie man von Insidern hörte, bei der ABDA-Spitze nicht gut angekommen sein. Der liebe Kammerpräsident, der wohl von seinen Delegierten den Auftrag erhalten hatte, hier mal in Berlin nachzufragen, soll von oben richtig abgekanzelt worden sein: was ihm denn überhaupt einfalle, so ein Begehren zu stellen, habe er denn überhaupt kein Vertrauen zur Obrigkeit? Es stehe im ausführlichen Bericht doch nichts anderes drin als in der veröffentlichten (und mittlerweile wieder von der ABDA-Seite verschwundenen) Fassung! donnerte das Machtwort auf ihn herab. Und: Habe man denn gar kein Vertrauen zu oben?

Uiuiui, das müssen deutliche Worte gewesen sein. Die so manchen Gedanken schüren: Wenn dieser Bericht als geheime Verschlusssache so geheim gehalten wird, dass nicht einmal ein Mitglied des ABDA-Gesamtvorstands Einblick nehmen darf, was wird da wohl Brisantes drinstehen? So brisant, dass es nur der innerste Zirkel lesen darf? Transparenz sieht anders aus. Die bisher von der ABDA-Spitze kommunizierte Argumentation, dass der Hauptbericht mit der Kurzfassung praktisch identisch sei, aber wegen personenbezogener und damit schutzwürdiger Daten nicht veröffentlicht werden könne, ist langsam nicht mehr überzeugend. Man könnte doch auch eine Fassung erstellen, in denen diese personenbezogenen Daten geschwärzt sind. Also, mein liebes Tagebuch, da steht doch nach wie vor die Frage im Raum: Welche belastenden Geheimnisse sind in der ausführlichen Fassung des Untersuchungsberichts enthalten? Vielleicht sollte sich ein Mitglied des Gesamtvorstands mal überlegen, ob eine Klage auf Einsicht des Berichts denkbar wäre?

24. Mai 2013

Nein, wenn eine Apotheke beim Vivesco-Lieferdienst dedendo mitmacht, wird sie dadurch nicht zur Versandapotheke und sie darf in ihrer Werbung nicht so tun, als sei sie ein Versender. Dedendo hat mit Versandhandel nichts zu tun, sondern es ist ein über eine Zentrale gesteuerter Botendienst der angeschlossenen Apotheken. Das musste nun ein Lüneburger Apotheker, der seine Apotheken als neue Versandapotheke dedendo positionieren wollte, per einstweiliger Verfügung einsehen. Immer wieder interessant, welche Marketingwege Kolleginnen und Kollegen gehen wollen, liebes Tagebuch, um zu versuchen wie sie sich von anderen abheben können.

Clever von Pfizer: Da am 22. Juni der Patentschutz auf den Viagra-Wirkstoff Sildenafil ausläuft und mit einer anschwellenden Generikaflut dieser Potenzpille zu rechnen ist, macht's sich Pfizer gleich selbst, bevor andere hier absahnen. Pfizer bringt am 1. Juni das erste generische Viagra „Sildenafil Pfizer“ auf den Markt, selbstverständlich in der Originalgalenik, selbstverständlich nur auf Rezept. Und dann gibt’s eine Erektion zum Schnäppchenpreis: ab 2,50 Euro ist Mann dabei, statt jetzt für etwa zehn Euro. Auch das Aussehen der Tablette bleibt gleich: hübsch rautenförmig. Einziger Unterschied zum Original-Viagra ist die Verpackung und die Farbe: der erotisierende Name Viagra fehlt und die Tablette ist weiß statt blau. Wetten, liebes Tagebuch, dass es Verwender geben wird, die auf den blauen Rhombus stehen, weil ihnen die weiße Sildenafil-Tablette nicht zum Glück verhilft?

25. Mai 2013

Mia san mia. Footbaal's coming hoam! Glückwunsch an den FC Bayern München für den Sieg in der Champions League. Und Danke an Borussia Dortmund fürs gute Spiel!


Peter Ditzel