Arachnologie

"Unsere kleine Vogelspinne“ im Museum

Karlsruhe - 15.07.2013, 10:35 Uhr


Bereits im April wurde die Gemeine Tapezierspinne (Atypus affinis) zu Europas Spinne des Jahres 2013 aus­erkoren. Sie ist auch in vielen Landstrichen Deutschlands heimisch, lebt aber sehr versteckt. Das Museum für Naturkunde in Karlsruhe präsentiert sie derzeit in einem Terrarium.

Die Gemeine Tapezierspinne gehört im weiteren Sinne zu den Vogelspinnen, während die meisten anderen Spinnen in Deutschland zu den Echten Webspinnen zählen. Charakteristisch für die Vogelspinnenverwandten ist die orthognate Kieferstellung mit mächtigen, waagerecht nach vorn gerichteten Kieferklauen (Cheliceren), während die Kieferklauen bei den Webspinnen nach innen gerichtet sind, sodass sich ihre Spitzen nah gegenüberstehen und an eine Kneifzange erinnern (labidognathe Kieferstellung). Mithilfe der Kieferklauen applizieren die Spinnen ihren Feinden und Opfern das Gift. Die Gemeine Tapezierspinne ist relativ groß, aber kleiner als die beiden anderen in Deutschland vorkommenden Arten. Sie erreicht eine Körperlänge (ohne Beine und Kiefer) von 10 bis 15 mm und ist dunkelbraun gefärbt. Sie lebt an trockenen und warmen Standorten, und zwar oft in Kolonien, ist aber aufgrund ihrer besonderen Lebensweise nur schwer zu entdecken.

Auch in ihrer Lebensweise unterscheiden sich Tapezierspinnen von den Webspinnen. Sie weben keine Netze („Spinnweben“), sondern verbringen fast ihr ganzes Leben unter der Erde. Sie graben sich eine Röhre ins Erdreich, die im Fall der Gemeinen Tapezierspinne 10 bis 30 cm tief ist, erweitern sie unten zu einer Art Nest und „tapezieren“ diese Behausung mit Spinnenseide. Oberirdisch verlängern sie die Röhre, indem sie einen fingerförmigen Schlauch aus Spinnenseide bauen, der direkt auf der Bodenober­fläche liegt. Die Spinne hält sich tagsüber unten im Nest auf und krabbelt nachts nach oben in den Schlauch, um Beute zu fangen (deshalb „Fangschlauch“). Wenn ein Insekt oder ähnliches Tier über den Schlauch läuft, beißt sie ein Loch hinein, betäubt das Tier mit seinem Gift, zieht es zu sich heran und saugt es aus. Alle Risse und Löcher im Fangschlauch bessert sie wieder aus.

Tapezierspinnen kann man lediglich im Spätsommer und im Frühling außerhalb ihrer Behausung entdecken: Im August und September laufen Männchen auf dem Boden umher, um einen Spinnenschlauch und ein dazu gehöriges Weibchen zu finden. Bei Erfolg dringt es durch den Schlauch in dessen Nest ein und begattet es. Aus den dort abgelegten Eiern schlüpfen schon bald die jungen Spinnen, die aber erst im Frühjahr ihr Nest verlassen, um sich ihre eigene Röhre zu graben und zu tapezieren.

Weibliche Tapezierspinnen können ein – für unsere heimischen Spinnen außergewöhnlich hohes – Alter von acht bis zehn Jahren erreichen. Echte Vogelspinnen bringen es auf das Doppelte.


Dr. Wolfgang Caesar


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