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Psychologie
Versuchungen aus dem Weg gehen unterstützt Willenskraft
Wer kennt es nicht: Eigentlich weiß man, dass man sich vor kleinen Versuchungen zurückhalten sollte, um dafür später ein höheres Ziel zu erreichen. Aber wie leicht gibt man doch einer Versuchung nach, die zum Greifen nahe ist, selbst wenn man dafür auf eine spätere Belohnung verzichten muss? Leichter fällt die Abstinenz, wenn man sich von vorneherein dafür entscheidet, die Versuchungen zu verbannen.
Wissenschaftler aus Cambridge und Düsseldorf haben untersucht, wie man einer schnellen Versuchung widerstehen kann: Willenskraft allein ist ein schlechter Helfer. Man sollte sich besser von vorneherein selbst beschränken, also Versuchungen gar nicht erst an sich heranlassen. Die Forscher beobachteten in einem Experiment die Hirnaktivität von Männern, die sich erotische Bilder anschauen konnten.
Dr. Molly Crockett von der University of Cambridge (UK) und Prof. Dr. Tobias Kalenscher von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf spürten mit Kollegen diesem Phänomen in einem Experiment mit bildgebenden Verfahren der Hirnforschung nach. Dabei lagen die Probanden in einem funktionalen Kernspintomografen (fMRT), mit dem live die Abläufe im Gehirn visualisiert werden können. Sie nutzten erotische Versuchungen, die hervorragend geeignet sind, um in Echtzeit Reizmuster im Gehirn auszulösen.
Männliche Probanden standen vor einer Entscheidung, bei der Selbstkontrolle gefragt war. Zwei verschiedene Szenarien wurden untersucht: Im „Willenskraft-Szenario“ konnten sie stets auf mäßig attraktive Bilder zugreifen, erhielten aber nur dann den Blick auf erotisch viel ansprechenderes Material, wenn sie willentlich über längere Zeit abstinent blieben. Sie mussten sich also den Zugriff auf die nur mäßig attraktiven Bilder verkneifen.
Im „Selbstbindungs-Szenario“ entschieden sich die Probanden freiwillig von vorneherein gegen die Zugriffsmöglichkeit auf die „mäßige Kost“ – sie hatten also gar nicht die Möglichkeit, sie zu wählen, selbst wenn sie es sich zwischendurch anders überlegt hätten. Dafür wurden sie aber nach längerer Wartezeit auf jeden Fall mit den besonders begehrten Fotos belohnt. Im „Selbstbindungs-Szenario“ konnten sich die Versuchsteilnehmer also freiwillig selbst daran hindern, eine „kurzsichtige“ Entscheidung für nur mäßige Fotos zu treffen, die ihnen den Zugang zu den sehr attraktiven Fotos verbaut hätte.
Dabei zeigte sich: Die vorherige Selbstbindung ist die bessere Methode der Selbstkontrolle. Wer sich dagegen auf die eigene Willenskraft verlässt, hat es deutlich schwerer, zu einem entfernt liegenden Ziel zu kommen. Die Gehirnscans zeigten, dass im Selbstbindungs-Szenario vor allem der frontopolare Cortex aktiv war, der auch für die Zukunftsplanung zuständig ist. Dies wiederum beeinflusst den dorsolateralen Präfrontalcortex positiv, der für die Willensbildung zuständig ist. Die Gehirnscans zeigen, wie die Selbstbeschränkung abläuft: Der Gedanke an eine zukünftige große Belohnung aktiviert Netzwerke von Hirnregionen, die uns über eine freiwillige Einschränkung unserer Wahlmöglichkeiten dazu bringen, die Entscheidungen zu treffen, die langfristig gut für uns sind.
Die Wissenschaftler betonen, dass die Ergebnisse ihrer Studie generell gelten, wenn es darum geht, Versuchungen zu widerstehen. So könnte man bei Diäten die Kekse verstecken, um den Drang zur Kekspackung zu unterbinden, oder auch einmal das Smartphone außer Reichweite bringen.
Literatur: Crockett, M., et. al.: Restricting Temptations: Neural Mechanisms of Precommitment, Neuron 2013;79(2):391-401.
Düsseldorf - 29.07.2013, 11:54 Uhr