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Frühe Nutzenbewertung
DGHO: Fachgesellschaften und Patienten stärker einbeziehen
Nach Meinung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) sollten medizinische Fachgesellschaften und Patienten in den Prozess der Nutzenbewertung von Arzneimitteln stärker einbezogen werden. Derzeit seien beide in der Rolle des Beobachters, kritisierte der geschäftsführende Verbandsvorsitzende Dr. Mathias Freund bei der heutigen Vorstellung des aktuellen DGHO-Positionspapiers in Berlin.
Nicht alles am Verfahren der Nutzenbewertung, die die Fachgesellschaft grundsätzlich befürwortet, läuft nach Meinung der DGHO optimal. Insbesondere, dass die wichtigsten Akteure der Patientenversorgung – die Patienten und ihre behandelnden Ärzte – nur Zuschauer mit eingeschränkten Rechten sind. Erforderlich sei daher „eine differenzierte Vorgehensweise, die die Expertise und Erfahrungen der Fachgesellschaften und auch die Patientenperspektive frühzeitig mit einbezieht“, forderte Freund. Sie sollten keine bloße Kommentarfunktion, sondern eine größere Rolle spielen.
Sein Argument: § 2 Abs. 1 SGB V legt fest, dass die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten jene Leistungen zur Verfügung stellen müssen, die in ihrer Qualität und Wirksamkeit „dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse“ entsprechen. Gerade die medizinischen Fachgesellschaften seien es, die diesen Stand der Erkenntnisse definierten, sagte Freund. Sie seien die Organisationen der aktiven Ärzte und Wissenschaftler eines Fachgebietes – ihre Mitglieder seien aktiv in der Forschung, der Lehre, der Patientenversorgung und letztlich auch Träger klinischer Studien.
Ein weiterer Kritikpunkt der Fachgesellschaft betrifft die Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie: Die bisherige Erfahrung mit Nutzenbewertungen im Bereich Hämatologie/Onkologie zeige, dass häufig Vergleichstherapien gewählt werden, die deutlich von den gültigen nationalen und internationalen Therapieleitlinien abwichen. Die DGHO fordert daher unter anderem die Einrichtung eines unabhängigen Gremiums von medizinischen Fachexperten zur Festlegung der Vergleichstherapie.
Darüber hinaus werde bei der Nutzenbewertung die Lebensqualität der Patienten zu wenig berücksichtigt, konstatierte Dr. Bernhard Wörmann, medizinischer Leiter der DGHO. Das bestätigte Jan Geißler, erster Vorsitzender der Patientenorganisation LeukaNET. Das Überleben sei für Patienten nur einer von mehreren Nutzen, das müsse in der Nutzenbewertung stärker berücksichtigt werden. Er kritisiert zudem die knapp bemessene Zeit für eine Stellungnahme der Patientenvertreter: Zwei Wochen für ein mehrere hundert Seiten langes Dossier sei oft nicht ausreichend. Auch Weiterbildungsmöglichkeiten seien ratsam, damit man wirklich mitreden könne.
Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) unterstützt die Forderungen der Fachgesellschaft. Hier meint man, die Einbeziehung der praktischen Erfahrungen und Erkenntnisse aus der täglichen Arbeit mit den Patienten würde die theoretische Bewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) um wichtige Aspekte erweitern und dieser die notwendige Patientenorientierung geben. „Das IQWiG und der Gemeinsame Bundesausschuss haben in den bisherigen Verfahren bewiesen, dass die Patientenorientierung und Versorgungswirklichkeit vielfach hinter der wissenschaftlich theoretischen Bewertung und dem Versuch der Kostenminimierung zurückstehen musste“, so der BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp.
Berlin - 21.08.2013, 15:25 Uhr