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Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern
Viele politische Perspektiven - auch ohne Politiker
Zum Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern hatten die Veranstalter auch in diesem Jahr wieder keine Politiker eingeladen - und doch wurden in drei Vorträgen politisch und fachlich sehr relevante Themen angesprochen. Es ging um den Umgang mit Rezepturen nach der geltenden ApBetrO, um europapolitische Perspektiven und um die gesundheitspolitische Zukunft von den aktuellen Koalitionsverhandlungen bis zu langfristigen demografischen Herausforderungen.
Der Apothekertag am Samstagvormittag war wie immer in das Fortbildungswochenende der traditionsreichen Scheele-Tagung eingebunden. Etwa 150 Teilnehmer besuchten die Veranstaltung in Binz auf Rügen. Christel Johanns, Präsidentin der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, hob aus den Ergebnissen des Jahres die Rechtssicherheit beim Kassenabschlag und die neue Nachtdienstpauschale hervor. Am Problem der Teilnotdienste in Mecklenburg-Vorpommern würden Apothekerkammer und -verband weiter arbeiten.
Dr. Mona Tawab, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker, Eschborn, vermittelte einen praxisorientierten Ansatz zur Erfüllung der Dokumentationspflichten bei Rezeptur- und Defekturherstellungen. Kern des Konzepts ist die Risikoabschätzung, die unbedingt dokumentiert werden sollte. Bei niedrigem Risiko könne auf halbquantitative oder quantitative Prüfungen verzichtet werden. Als Prüfung könne dagegen auch interpretiert werden, die Wirkstoffbeschaffenheit zu dokumentieren, ein gesichertes Herstellungsverfahren anzuwenden und zu dokumentieren und die Einwaage nach dem Vier-Augen-Prinzip zu organisieren. Außerdem könnten weitere einfache Prüfungen sehr aussagekräftig sein. Tawab stellte visuelle Prüfungen, Bestimmungen des pH-Wertes und der Dichte sowie die Prüfung auf Gleichförmigkeit der Masse bei Kapseln vor.
Michael Jung, Referent im Geschäftsbereich Recht der ABDA, gab einen Überblick über die vielen Gebiete des europäischen Rechts, die die Arbeit der Apotheken beeinflussen, obwohl das Apothekenrecht nicht der europäischen Gesetzgebung unterliegt. Er merkte an, dass der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in den meisten EU-Staaten verboten ist. In seinem Ausblick verwies Jung auf einen Aufruf der EU-Kommission vom Oktober, alle Regeln für regulierte Berufe in der EU zu erfassen, um zu ermitteln, in welchen Bereichen mit weniger Regeln gleiche Ergebnisse, aber bessere Preise erzielt werden könnten. Nach Einschätzung von Jung werde dies die Apotheker in Deutschland und den anderen EU-Ländern in den nächsten zwei bis drei Jahren beschäftigen.
Nach einer ersten Analyse der bisherigen Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen sieht Dr. Thomas Drabinski, Institut für Mikrodatenanalyse, Kiel, auf die Apotheker kurzfristig keine nennenswerten Änderungen zukommen. Neuerungen würden eher die Krankenhausfinanzierung und die Systemgrenze zwischen GKV und PKV betreffen. Nach Ansicht von Drabinski fehle den Koalitionären in der Gesundheitspolitik noch der Blick für das Ganze. Bedenklich sei, dass Preis- und Mengenregulierungen dominieren. Sehr nachdenklich stimmten Drabinskis langfristige Prognosen. „Wir sind im goldenen Zeitalter der Sozialversicherung“, erklärte Drabinski mit Blick auf die Wirtschaftskraft der geburtenstarken Jahrgänge - doch dies bleibe nicht so. Bereits für 2015 erwartet er ein Defizit bei der GKV. Nachdem 2018 der erste geburtenstarke Jahrgang in Rente gehe, werde sich die Finanzlage deutlich verschlechtern. Drabinski erwartet ab 2017 massive Kostensenkungsmaßnahmen und später Eingriffe in die Infrastruktur. Dies werde auch die Apotheken belasten und langfristig ihre Handlungsspielräume einengen, befürchtet Drabinski.
Binz - 10.11.2013, 12:54 Uhr