BPtK-Studie

Jede zweite Frührente psychisch bedingt

Berlin - 28.01.2014, 13:44 Uhr


Die Zahl der Arbeitnehmer, die wegen psychischer Erkrankungen in Frührente gehen, ist innerhalb von zehn Jahren um rund 25.000 auf 75.000 im Jahr 2012 angestiegen. Darauf weist die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) unter Berufung auf die Rentenversicherung hin. Im Durchschnitt seien die Betroffenen 49 Jahre alt. Über ein Viertel der erwerbsunfähigen Rentner gelte als arm.

Psychische Erkrankungen sind seit mehr als zehn Jahren die Hauptursache für gesundheitsbedingte Frührenten, erklärt die BPtK – mit großem Abstand vor körperlichen Erkrankungen. Inzwischen sei fast jede zweite neue Frührente psychisch verursacht (42 %), dabei hätten in den letzten Jahren vor allem Depressionen (+96 %), Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (+74 %) sowie Suchterkrankungen (+49 %) als Gründe zugenommen.

„Psychische Erkrankungen führen viel zu oft zu Erwerbsunfähigkeit und Armut“, kritisierte BPtK-Präsident Dr. Rainer Richter. Eine Erwerbsminderungsrente betrage durchschnittlich rund 600 Euro. Dabei könnten psychisch bedingte Frührenten häufiger vermieden werden. Doch es mangle an Behandlungsplätzen für psychisch kranke Menschen, ebenso an ausreichenden und für sie maßgeschneiderten Rehabilitationsleistungen. In Deutschland erhalte überhaupt nur jeder dritte psychisch Kranke eine Behandlung. Richter mahnte zudem die monatelangen Wartezeiten auf einen Therapieplatz an, sie müssten gesenkt werden. „Wir brauchen da gesetzliche Vorgaben.“

Die Kranken würden häufig unzumutbar zwischen Kranken- und Rentenversicherung hin- und hergeschoben, konstatiert Richter. Die Kasse könne den Versicherten nämlich auffordern, einen Reha-Antrag zu stellen. Wenn aber der Gutachter einer Reha keine „Erfolgsprognose“ bescheinige, werde der Reha-Antrag automatisch zu einem Rentenantrag. Circa die Hälfte der Rentenanträge wird Richter zufolge bewilligt. Würden Krankenversicherte zu Frührentnern, entfalle ihr Anspruch auf Krankengeld. Krankenkassen könnten somit Ausgaben für Krankengeld zulasten der Rentenversicherung sparen, wenn sie Versicherte, die schon lange krankgeschrieben sind, auffordern, einen Reha-Antrag zu stellen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) rief die Bundesregierung zu klaren Regeln gegen zunehmenden Stress am Arbeitsplatz auf. „Wir brauchen eine Anti-Stress-Politik, damit Arbeit nicht länger krank macht“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der Deutschen Presse-Agentur. Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink forderte die Regierung auf, sich der Missstände anzunehmen: „Wir brauchen endlich ein Gesamtkonzept für die Versorgung psychisch Kranker, einen umfassenden Aktionsplan ‚Seelische Gesundheit‘.“ Ambulante und stationäre Versorgung, Rehabilitation und psychosoziale Unterstützung müssten ortsnah besser verknüpft werden, ebenso sei eine Verzahnung mit Ansätzen der Prävention und des Arbeitsschutzes nötig.


Juliane Ziegler