Olympische Winterspiele

Neue Dopingsubstanz aus Russland

Berlin - 03.02.2014, 08:38 Uhr


Wenige Tage vor dem Start der Olympischen Spiele in Sotschi kursiert verstärkt eine neue Dopingsubstanz: Full Size MGF. Ein renommierter Wissenschaftler aus Moskau macht Medienberichten zufolge damit Geschäfte. Die Substanz ist bislang nicht nachweisbar und gilt als sehr riskant. Das weckt erhebliche Zweifel an einer glaubwürdigen Dopingbekämpfung im Land des Olympiagastgebers.

In der ARD-Sportschau und der WDR-Sendung „Sport Inside“ wurde am Wochenende über Geschäfte eines Mitarbeiters der Russischen Akademie der Wissenschaften mit dem bisher unbekannten Dopingmittel Full Size MGF berichtet. „Es ist dem Wachstumsfaktor IGF 1 ähnlich und als sehr hochwirksam einzustufen“, sagte der Kölner Dopinganalytiker Mario Thevis dem „WDR“. Damit könne vor allem ein intensiver Muskelaufbau beschleunigt werden. Der Wachstumsfaktor sei bisher nur in der klinischen Testphase I im Tierversuch erprobt worden.

Ein Nachweisverfahren gibt es für die Substanz noch nicht. Sie ist mit den derzeitigen Analyseverfahren nicht in Dopingproben zu finden. Somit ist der Nachweis auch im Kontrolllabor in Sotschi unmöglich. „Diese Substanz ist noch zu neu für uns“, räumte der Direktor des WADA-akkreditierten Kontrolllabor an der Deutschen Sporthochschule, Grigory Rodchenkov, gegenüber dem WDR ein. „Die Dopingkontrolllaboratorien können im Wesentlichen das testen, was ihnen bekannt ist“, erklärte Thevis. Er geht davon aus, dass die Substanz in der Dopingszene auf intensive Nachfrage stoßen dürfte. Zugleich warnte er: Ohne klinische Zulassung sei das Gesundheitsrisiko für einen Menschen nicht abschätzbar.

Der Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), David Howman, reagierte entsetzt. Er glaubt nicht an dopingfreie Winterspiele in Russland: „Es wäre naiv zu glauben, dass alle Athleten in Sotschi sauber sind.“ Die Vorgehensweise des russischen Forschers hält er für kriminell: „Es ist schockierend, dass ein Wissenschaftler Substanzen anbietet, die bisher noch nicht einmal an Menschen erprobt worden sind“, sagte er dem „WDR“. „Die Sportler werden so zu Versuchstieren.“

Das IOC plant laut dem WDR, bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2.453 Dopingproben zu nehmen – eine Rekordzahl an Dopingkontrollen, mehr als jemals bei Olympischen Spielen. Vor vier Jahren waren es 2.149 Proben. IOC-Präsident Thomas Bach bezeichnete dies als „härtesten Anti-Dopingkampf jemals bei Olympischen Spielen“. In der vergangenen Woche waren bereits zwei russische Biathletinnen, darunter die Gesamtweltcupsechste Irina Starych, mit positiven A-Proben aufgefallen. Starych hat sich nach den Dopingvorwürfen aus dem Olympia-Team zurückgezogen.


Juliane Ziegler