Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

16.03.2014, 08:00 Uhr


Beratung per Videotelefonie für alle, die’s wollen – AOK, Telekom, DocMo und andere experimentieren schon damit. Allerdings sollte dann auch wirklich beraten werde. Zumindest besser als die Apothekentests von WISO es gezeigt haben. Wobei diese Tests natürlich nicht repräsentativ sind. Und man kann die empfohlenen Präparate durchaus kritisch sehen, wie es Pharmakritiker Glaeske tut. Überhaupt, wenn Medinait zum Medikament des Jahres gekürt wird. Lieferengpässe wird es hier wohl nicht geben, dagegen bei vielen anderen Präparaten. Da schaut die Politik dann weg. Aber nicht Herr Diefenbach, und das ist gut so. In dieser Woche: Die zweite Notdienstpauschale wird ausgezahlt. Ob die Angestellten davon profitieren werden – auch darum streiten sich die Tarifparteien. Der Lichtblick: Frühling lässt sein blaues Band...

10. März 2014

Wie krass ist das denn, mein liebes Tagebuch. Muttermilch per Internet. Die erste Muttermilch-Börse Deutschlands möchte Maklerin für Mütter sein, die Muttermilch lokal und bundesweit kaufen, verkaufen oder verschenken wollen. Trotz aller gut gemeinter Ansätze und Tipps für den Versand und hygienischer Prüfung: Wer weiß, welche Arzneimittel die Milchspenderin einnahm? Wie sie sich ernährte? Wie die hygienischen Bedingungen sind? Und ob der Versand quer durch die Republik der Milch bekommt? Ich bin froh, dass ich damals das Privileg der Originalquelle genießen durfte und kein Second-Hand-Produkt.

Es ist ein Thema: Bildtelefonie. Auch für Apotheken. Die AOK hat dazu das Pilotprojekt Vitalig  in der niederrheinischen Stadt Goch gestartet. Ein einfach zu bedienender Computer mit Bildtelefon vernetzt Senioren mit ihren Angehörigen, Ärzten und Apotheken. In dem Modellprojekt, das noch bis Mitte 2015 laufen soll, hätten die 40 teilnehmenden älteren Menschen das Bildtelefon durchschnittlich 20 Mal am Tag in Anspruch genommen. Die Technik kam bei den Senioren sehr gut an. Übrigens: DocMorris möchte zusammen mit der Telekom auch ein Internetberatungsangebot per Videotelefonie auf die Beine stellen. Mein liebes Tagebuch, das Thema wird kommen. Wegschauen hilft nicht. Wo bleibt der Think-Tank der ABDA, der sich um die innovative Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung und -beratung kümmert?

Eigentlich längst überfällig: Die DAK-Gesundheit informiert ihre Versicherten auf ihrer Internetseite, für welche Wirkstoffe die Kasse Rabattverträge geschlossen hat, welche Alternativpräparate es gibt und ob diese zuzahlungsfrei sind. Dem Beispiel sollten alle Kassen folgen. Vielleicht kann dies in der Apotheke auch das Gespräch mit den Patienten erleichtern.

Der stellvertretende Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbands (HAV), Hans Rudolf Diefenbach, hat das Thema Lieferengpässe mit Zahlen verdeutlicht. Er sammelte im Februar Defektlisten von 430 Apotheken. Das erschütternde Ergebnis: Im Schnitt hatten die teilnehmenden Apotheken 41 Defekte: Präparate, die länger als zwei Wochen nicht geliefert werden konnten. Mein liebes Tagebuch, das ist in einem Land wie der Bundesrepublik wirklich ein Skandal, eine „völlig untragbare Situation“, wie Diefenbach es sagt. Ein Dank an ihn für seine Mühe, den Skandal mit Zahlen zu unterfüttern. Und wo bleibt der offizielle Protest der deutschen Apothekerinnen und Apotheker?

Mehr Geld für die angestellten Apothekerinnen und Apotheker im Kammerbezirk Nordrhein. Der Arbeitgeberverband TGL Nordrhein und die Apothekengewerkschaft Adexa haben sich auf Gehaltsanhebungen zwischen 3 und 5,7 Prozent verständigt. Und bei der leistungsorientierten Bezahlung (LOB) kann der Angestellte nun statt 1,5 Prozent maximal 3 Prozent mehr erreichen.

11. März 2014

Frühlingszeit – Apothekentestzeit! Ach, wie ist das schön! Mal in WISO, mal in Frontal21, mal bei der Stiftung Warentest, mal bei Meinungsforschungsinstituten. Und alle kommen zum gleichen schlechten Ergebnis. Zum Glück, sonst gäb’s ja nichts zu berichten. Mein liebes Tagebuch, stell dir mal vor: WISO berichtet zur besten Sendezeit, dass neun von zehn besuchten Apotheken hervorragend beraten und informiert haben, nur eine Apotheke habe leicht gepatzt, weil sie nicht das ultrabilligste Präparat empfohlen habe. Gähn – wen würde denn das interessieren? Also, ein Bericht darf nur schlecht ausfallen, sonst wird er nicht ausgestrahlt. Im Ernst: Drei Apotheken von 20.000, wie im letzten Test – was sagt das über Deutschlands Apotheken aus? Allerdings, mein liebes Tagebuch, das muss man einräumen: Einige Apotheken machen es WISO und Co. schon leicht, im Fernsehen vorgeführt zu werden. „Beratung“ konnte man das nicht nennen, was zwei der drei getesteten Apotheken abgeliefert haben. Nicht mal ansatzweise. Das muss besser werden. Und da sollte man keinen Groll auf das Magazin WISO schieben. Ach ja, dieses Mal setzt WISO sogar eine PTA als Testerin ein. Huhu, PTA checkt Beratungsqualität von Apothekern - das hat was, oder? 

Die Apotheke fürs Sofa. Der LiveBerater von DocMorris und der Telekom kommt! Kunde und Apotheker sollen per Bild und Ton besser kommunizieren können. Außerdem soll der Apotheker zusätzlich beispielsweise weitere Unterlagen, Filme etc. einblenden können. Um die Privatsphäre des Kunden zu wahren, kann die Bildübertragung vom Kunden zum Apotheker abgeschaltet werden, er sieht den Kunden dann nicht.  Allerdings: Die Telekom entwickelt den LiveBerater, eine Art Videotelefonie oder aufgebohrtes Skype, nicht nur für DocMorris, sondern auch für andere Branchen. Die Telekom betont, dass der LiveBerater ein „allgemeines Lösungsprodukt der Telekom ist, an dem auch andere Firmen interessiert sind“. Aha. Wie wär’s, wenn sich auch mal der Deutsche Apothekerverband den LiveBerater anschaut?

Noch ein Test: Der Markt- und Meinungsforschungsdienstleister Ipsos schickte Tester in Apotheken, die die Beratung zu Grippe- und Erkältungsmittel testeten. Von den 50 besuchten Apotheken empfahlen die meisten Kombipräparate. Und auch hier: Defizite in der Beratung. Nur bei jedem fünften Kauf wurde der Kunde auf Wechselwirkungen und Nebenwirkungen hingewiesen. Ach ja, mein liebes Tagebuch, testen kann jeder jeden. Es muss nur einen geben, der den Test bezahlt. Wer hat den Meinungsforscher Ipsos beauftragt? Welche Interessen verfolgt er? Wenn so nette Sätze auf der Ipsos-Internetseite zu lesen sind wie „Mit dem Ipsos Open Thinking Exchange-Center (iOTXI) in Kalifonien/USA [sic] haben wir auf globaler Ebene einen Knowledge-Hub“, dann kann man darauf nur antworten: Ja, wir Pharmacy-Thinking-Centers sind ein Competence-Hub, der auch eine social-media-Plattform darstellt, die für das tägliche Delivery der pharmacy-products unersetzlich ist und daher von den Customers gelikt wird.

Neue Wasserstandsmeldung im Streit DocMorris und Apothekerkammer Nordrhein. Da DocMo weiterhin Kunden mit einer kostenlosen einjährigen ADAC-Mitgliedschaft (ob das heute noch gut ankäme?) und Hotelgutscheinen lockte,  erwirkte die Kammer ein erneutes Ordnungsgeld in Höhe von 100.000 Euro. Die auferlegten Ordnungsgelder summieren sich mittlerweile auf 600.000 Euro. Na gut, aber hat DocMo bisher etwas davon bezahlt?

Ordermed führt die Medikationskarte ein. Wieder so eine Innovation, die man mit gemischten Gefühlen betrachten kann. Die Karte enthält eine Nummer und einen Sicherheitscode, über die der Besitzer der Karte per Internet Zugang zu seinen dort abgelegten und gespeicherten Medikationsdaten hat, beispielsweise also allen seinen Arzneimittel- und Notfalldaten. Über das Medikations-Center kann er einen Medikationsplan ausdrucken lassen. Die Daten liegen also auf dem Server von Ordermed. Wie sicher ist das denn? Wenn der Kartenhalter seine Karte verliert, kann der Finder die Daten einsehen. Da der Patient seine Arzneimittel selbst strukturiert zusammenträgt und eingibt, könnte da schon mal was unter den Tisch fallen. Mein liebes Tagebuch, so gut der Ansatz auch sein mag, es gibt da noch einige Knackpunkte.

12. März 2014

Am Wick Medinait scheiden sich die pharmazeutischen Geister. Während die Puristen dieses Teufelszeug als pharmazeutischen Nonsens-Cocktail ablehnen, meinen die anderen: Es hilft, wie auch immer, zeigt Wirkung, und so oft nimmt man es ja nicht ein, und irgendwie gibt es ein gutes Gefühl. Ähnlich sieht’s für Grippostad C und Aspirin complex aus. Mein liebes Tagebuch, wir begeben uns hier mal lieber nicht in die Tiefen inhaltsschwerer Diskussionen. Wie so oft: Die letzte Wahrheit gibt es auch hier nicht. Was unser Pharmaprofessor Glaeske zu diesem Thema sagt, ist die eine Seite. Kombis mag er nicht. Früher war‘s Thomapyrin, heute ist’s Wick Medinait. Was so manche Apothekerin und Apotheker und erst recht so mancher Kunde zu diesen Präparaten meint, zeigen die Umsatzzahlen. Ob die vom Bundesverband Deutscher Apotheker – BVDA (oh, es gibt ihn noch) angezettelte Wahl von Wick Medinait zum „Medikament des Jahres 2014“ allerdings so ein tolles Aushängeschild für Deutschlands Apotheker ist – mein liebes Tagebuch, da kommt Stirnrunzeln auf. 65 Prozent von 305 befragten Apotheken, also 198 Apotheken würden Wick Medinait empfehlen – das Ergebnis bauscht der BVDA auf zum „Medikament des Jahres“. Klar, der Hersteller freut sich und übernimmt das gerne für seine Werbung. Ach ja, wie heißt es beim BVDA: „Wir setzen uns ein für die wirtschaftlichen Interessen der Apotheken in Deutschland.“ Vielleicht weht auch daher der Wind.

Die gute Nachricht der Woche: die zweite Nacht- und Notdienstpauschale steht zur Auszahlung an. Dieses Mal gibt‘ s rund 250 Euro. Fällt was ab für die Angestellten?

13. März 2014

Die Apothekengewerkschaft Adexa und der Arbeitgeberverband ADA sind wieder im Gespräch miteinander über einen neuen Bundesrahmentarifvertrag. Und sie haben die Gespräche, so wie es das Spiel bei Tarifverhandlungen will, schon wieder abgebrochen. Streikdrohung der Gewerkschaft steht im Raum, Warnstreiks im Nacht- und Notdienst. Na, ob sich die angestellte Apothekerin traut, den Notdienst abzusagen? Andererseits, es geht um die volle Bezahlung für den zehnstündigen Dienst. Und es gibt für die Apotheke die staatliche Nacht- und Notdienstpauschale von rund 250 Euro pro Dienst. Schon verständlich, wenn nun darüber nachgedacht wird, ob derjenige, der den Dienst macht, nicht auch davon profitieren sollte. Auch wenn der ADA davon ausgeht, dass die Pauschale vom Gesetzgeber für Strukturverbesserungen gedacht war und nicht für Lohnerhöhungen. Durch Lohnerhöhungen lassen sich mitunter auch Strukturen verbessern. Mein liebes Tagebuch, es werden sich, wie immer, beide Seiten aufeinander zubewegen müssen. Um den Einsatz guter Mitarbeiter zu honorieren – dazu kann neben Lob auch ein aufgestocktes Nachtdienstsalär beitragen.

Ach ja, „Lieferengpässe oder Lieferunfähigkeiten bei einzelnen Impfstoffen können immer wieder auftreten und sind in der Regel zeitlich begrenzt“, sagt Ingrid Fischbach, frischgebackene parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium und studierte Lehrerin auf eine kleine Anfrage der Linken. Mein liebes Tagebuch, wie klingt denn das? Da hört man doch glatt heraus: Na, habt euch mal nicht so, so schlimm ist das doch alles gar nicht. Außerdem, so fügt sie hinzu, sei die Arzneimittelversorgung in Deutschland doch „sehr gut“ und Lieferengpässe führten nicht zwangsläufig zu Versorgungsengpässen. Na klar, Frau Fischbach, du meine Güte, was machen die Apotheker da für einen Zwergenaufstand, wenn mal ein paar Schilddrüsentabletten, Antibiotika oder Impfstoffe nicht gleich lieferbar sind und erst nach drei, vier Wochen wieder rationiert zur Verfügung stehen, gell? Wir haben doch eine so gute Arzneiversorgung. Die Regierung habe darüber hinaus auch keine Kenntnisse, fährt Frau Fischbach fort, dass Rabattverträge zu gravierenden Veränderungen der Marktstruktur bei den pharmazeutischen Herstellern geführt hätten. Tja, wie auch! Die Regierung schaut nicht auf die BfArM-Seite der Lieferengpässe, die Hersteller antworten ausweichend, die Krankenkassen sagen nichts und bei den Apothekern meldet sich nur ein Herr Diefenbach aus Hessen. Müssen wir also auf den ersten Ernstfall warten, bis sich was tut?

14. März 2014

Jetzt ist es endgültig im Ziel, das 14. SGB V-Änderungsgesetz: Auch der Bundesrat hat zugestimmt. Für Apotheken von Interesse: Die Substitutionsausschlussliste (Arzneimittel, die nicht mehr ausgetauscht werden dürfen) wird in Zukunft nicht mehr vom GKV-Spitzenverband und dem Deutschem Apothekerverband erstellt. Die Liste wird  jetzt zwingend bis 30. September 2014 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossen. Obwohl es also um auszutauschende Arzneimittel bei Aut-idem-Verordnungen geht, beschließt darüber in Zukunft der G-BA, also Mitarbeiter von Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft, Ärzte und Zahnärzte. Die Apotheker sind nicht dabei. Mein liebes Tagebuch, was sagt uns das über den Status des Apothekers in Deutschland?

 


Peter Ditzel


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